Der „gute Mensch“ im Computer-Labor

19. Mai 2015

Die gute Nachricht vorab: Es gibt noch gute Menschen, und sogar recht zahlreich. Professor Urs Fischbacher, Festredner bei der feierlichen Eröffnung des „Ulm Laboratory for Economics and Social Sciences“ (ULESS) fand sie in seinem Labor. Der Wirtschaftswissenschaftler von der Universität Konstanz gehört zu den renommiertesten Experimental-ökonomen und forscht über menschliches Entscheidungsverhalten. Er beschäftigt sich am liebsten mit sozialen Phänomenen wie Altruismus, Fairness und Kooperation. „Mit dem Modell des Homo Oeconomicus, der sich ganz rational nur am individuellen Nutzen orientiert, ist soziales Verhalten kaum in Einklang zu bringen“, so der Wirtschaftswissenschaftler. Aus Entscheidungsexperimenten mit monetären Anreizen, bei denen Probanden Geld erhalten – und je nach experimentellem Design – nach unterschiedlichen Regeln Geld an Mitspieler abgeben können, wissen die Verhaltensökonomen, dass Menschen dazu neigen, Gewinne fair zu teilen. Sie strafen sogar andere für unfaires Verhalten, wenn dies für sie selbst mit Kosten verbunden ist.

„Wichtig ist hier nicht zuletzt, wie das Verhalten anderer eingeschätzt wird“, erläutert der Schweizer. Gehen die Probanden davon aus, dass auch die anderen etwas geben – beispielsweise in Situationen, in denen es sozial optimal ist, dass alle etwas geben – erhöht dies bei vielen die Bereitschaft, ebenso zu handeln. Bedingte Kooperation nennen die Forscher dieses Verhalten. „Gleichwohl es bei den Experimenten auch Trittbrettfahrer gibt und nicht wenige, die nur auf individuelle Nutzenmaximierung bedacht sind, ist der Anteil an Menschen, die `prosozial´ oder `kooperativ´ handeln, erstaunlich hoch“, ergänzt Fischbacher. Und anders als Bertolt Brecht in seinem Lehrstück „Der gute Mensch von Sezuan“ bezweifelte, gibt es nach Ansicht des Wissenschaftlers ziemlich viele gute Menschen – zumindest im Labor. „Gleichwohl die experimentelle Wirklichkeit sehr speziell sind, so ist sie doch real“, betont er.
Der Konstanzer Verhaltensökonom, der zu den führenden im Feld gehört, hat übrigens die weltweit verbreitete Software z-Tree entwickelt, die auch im Ulmer Computer-Labor eingesetzt wird. Die Software läuft nicht nur auf den 33 Personal Computern in den Probandenkabinen, sondern auch im Steuerungszentrum, wo die Experimente zentral ausgeführt werden. Das ULESS, das im Keller des Lehrgebäudes für Wirtschaftswissenschaften und Psychologie untergebracht ist, gehört übrigens zu den größten und modernsten seiner Art. Die Wissenschaftler testen und entwickeln hier verhaltensökonomische Ansätze, indem sie mit freiwilligen Probanden computergestützte Entscheidungsexperimente durchführen.

Zum Labor
Studierende, Uni-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie alle Interessierten können an Experimenten im Ulmer Labor für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (ULESS) teilnehmen. Die Experimente am Computer dauern meist ein bis zwei Stunden und jeder Teilnehmer wird gemäß eigener Entscheidungen und Entscheidungen Anderer sowie Zufallseinflüssen in bar entlohnt. Interessierte müssen sich im System registrieren. Per E-Mail erhalten sie eine Einladung zu Experimenten, für die sie per Zufallsgenerator ausgewählt werden, mit genauen Angaben zum Zeitpunkt und zur Dauer.
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Der „gute Mensch“ im Computer-Labor

Vor Kurzem wurde an der Universität Ulm das „Ulm Laboratory for Economics and Social Sciences“ (ULESS) eröffnet. Das Computer-Labor zur experimentellen Wirtschaftsforschung gehört in seiner Ausstattung zu den größten und modernsten seiner Art. Festredner war der Verhaltensökonomen Professor Urs Fischbacher, einer der renommiertesten Wissenschaftler auf diesem Gebiet. In seinem Vortrag begab er sich auf Spurensuche nach dem „guten Menschen“ und wurde dabei sogar fündig.

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Die Gäste der Eröffnungsfeier beteiligen sich an einem Experiment über Rationalitätsannahmen
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