Verspielte Zeitreise: Neues Brettspiel namens „Ulm“

24. Oktober 2016

Ulm im 16. Jahrhundert. Da florierte der Handel mit Gütern wie Holz, Wein, Salz und Tüchern, dem so genannten Ulmer Barchent, die zum großen Teil mit Zillen und Floßen über die Donau verschifft wurden. Das alles lässt uns das Regelwerk und eine kleine beiliegende Ulmer Chronik wissen. Zeiten also, in denen der Erfolg und Reichtum der Stadt nicht nur der schwäbischen Sparsamkeit zu verdanken gewesen sei, wie es etwas süffisant eingangs der Anleitung heißt, sondern gerade auch der Geschäftstüchtigkeit und dem handwerklichen Geschick der Bürger und  Bewohner. „Venediger Macht, Augsburger Pracht, Nürnberger Witz, Straßburger Geschütz und Ulmer Geld regier’n die Welt“ wurde seinerzeit kühn gereimt. Fleißig wurde zudem immer noch am Münster gebaut, „dem gesellschaftlichen Herzstück der Stadt“. Indes: Der welthöchste Turm, der das Münster so richtig bekannt gemacht hat, wurde erst 1890 fertig gestellt.
Auf Entdeckungsreise
All das finden Spieler, wenn sie die Spielekiste öffnen, auf der das Münster samt Gänstor- und Metzgerturm hinter einer hölzernen Brücke zu sehen ist, die über die Donau führt. Der angesagte Spiele-Illustrator Michael Menzel hat die Szenerie – zugegeben etwas verdichtet – festgehalten. Von ihm stammt auch der Spielplan samt den vielen Plättchen und Karten, die dem Spiel beiliegen. Michael Menzel ist  ein vielbeschäftigter, erfolgreicher und mit vielen Preisen überhäufter Illustrator von Brett- und Kartenspielen in Deutschland. Im Dezember 2015 war er zusammen mit dem Spieleautor Günter Burkhardt und der Redakteurin Britta Stöckmann von Huch & Friends in Ulm, um zu fotografieren und den Prototypten des Spiels auszuprobieren. Am heimischen Computer im nordrhein-westfälischen Neukirchen-Vluyn sind dann die Illustrationen entstanden mit vielen Ansichten des alten Ulms: dem Rathaus, dem Schwörhaus, dem Schiefen Haus, der Stadtmauer samt den Metzger- und Gänstor-Türmen und vieles mehr. Nicht nur Ulmer haben einiges zu schauen und zu staunen.
Zuvor hatten sich Menzel und Stöckmann mit der Geschichte der Stadt Ulm vertraut gemacht, im Internet und im Stadtarchiv recherchiert. Und so musste am Ende der Entwicklung noch schnell das Cover der Spieleschachtel verändert werden, das im Verlagsprospekt zu sehen ist. Aus der steinernen Brücke über die Donau wurde nach Intervention des Stadtarchivs die zeitgemäßere Holzbrücke. Am Computer war die Zeichnung schnell geändert.
Viel geändert haben auch der Erfinder des Spiels, Günter Burkhardt, und die Huch-Redaktion an den Spielmechanismen. Thema des Spiels war zuerst der Warenhandel auf Bali. Vorangetrieben wurde dieser mit einem ganz neuen Mechanismus: In ein Feld mit drei mal drei Aktionssteinen werden von außen immer wieder neue Steine hineingeschoben. Die drei Steine, die in diesem Raster dann nach dem Hineinschieben hintereinander liegen, geben jetzt auch im mittelalterlichen Ulm die Aktionen vor, die abgehandelt werden. Geld und Aktionskarten werden damit abgegriffen, auch Aktionssteine, die zum Bezahlen der Karten benötigt werden. Die Spieler können Siegel in den Stadtvierteln Ulms unterbringen, wofür sie wiederum Geld, Aktionssteine, Karten und Siegpunkte bekommen. Und sie ziehen mit einer Zille die Donau hinunter, denn nur bei dem Stadtteil, wo die Zille steht, können besagte Siegel gelegt werden. Was eine Art Zeitmechanismus ist.
Man ist beschäftigt. All diese Mechanismen greifen prima, weil reibungslos ineinander. Sie sind schnell verstanden, weil sie auch in sich schlüssig sind. Und wenn dann ganz am Ende der Partie, nach gut und gerne einer Stunde, anfangs sicher etwas mehr, die Spielkarten gewertet werden, steht der Gewinner fest. Diese jetzt deutlich schlanke Schlusswertung war beim Prototypen sehr viel komplexer und unübersichtlicher, was Tester und Redaktion gleichermaßen gestört hat. Jetzt ist die erschienene Endfassung des Spiels ein Werk, das zumindest die nicht ganz unerfahrenen Spieler fordert, aber nicht überfordert. „Ulm“ ist kein banales Spiel, auch nichts für die eingefleischten Freaks, denen es oft nicht komplex genug sein kann. 10 000 Exemplare hat Hutter in der Startauflage drucken lassen, 5000 für den deutschen und 5000 für den amerikanischen Markt. Dort hat Hutter einen Partnerverlag gefunden.
Vorschusslorbeeren in Essen
Das Spiel wurde in der vergangenen Woche auf der „Spiel“, der Internationalen Spielemesse in Essen, dem breiten Publikum vorgestellt. Dort, im Gruga-Messezentrum, tummelten sich an vier Messetagen mehr als 170.000 Besucher. Über 1000 Aussteller präsentierten über 1000 Spiele-Neuheiten. Die Fachzeitschrift „Fairplay“ ermittelte wie in jedem Jahr mit ihren Scouts die interessantesten Neuheiten. „Ulm“ schaffte es mit einem Schulnoten-Durchschnitt von 2,0 unter die Top 10 dieser in der Szene vielbeachteten Liste. Möglicherweise wird das Spiel bei den Wahlen des Spiel des Jahres 2017 und des Deutschen Spielepreises, der alljährlich zur „Spiel“ in Essen vergeben wird, ebenfalls eine Rolle spielen.
Daran verschwendet Autor Günter Burkhardt keinen Gedanken, denn die Entscheidungen fallen erst Mitte nächsten Jahres, wenn Hunderte von Neuheiten gespielt und bewertet sind. Stolz ist Günter Burkhardt auf sein Werk dennoch, von dem er glaubt, dass es vielleicht sein bestes Spiel ist. Burkhardt, Lehrer und Spieleautor von Beruf, der im Gosbach im Landkreis Göppingen lebt, hat seit 1997 nahezu 60 Spiele erfunden und bei namhaften Verlagen wie Hans im Glück, Kosmos, Amigo, Haba und Ravensburger untergebracht. Darunter das sehr erfolgreiche Quizspiel „Deutschland – Finden Sie Minden“, das Kartenspiel „Schwarz Rot Gelb“ oder das Legespiel „Kupferkessel“. Sechs Jahre lang war die Idee von „Bali“, dem heutigen „Ulm“ in verschiedenen Verlagshäusern unterwegs, wurde getestet und auch abgelehnt. Spielautoren brauchen Geduld. Aber das ist ja selbst Klaus Teuber so gegangen mit seinem Jahrhundertspiel „Die Siedler von Catan“. (Text: Südwest Presse Ulm)

Verspielte Zeitreise: Neues Brettspiel namens „Ulm“

Ein Spiel über die Stadt Ulm sollte es werden, dachte sich Hermann Hutter, Chef des Günzburger Spieleverlags Huch & Friends. Und weil bei ihm mit dem Prototypen „Bali“ gerade ein passender Entwurf des Gosbacher Spielautors Günter Burkhardt mit einem neuen und passenden Spielemechanismus vorlag, wurde das Geschehen von der indonesischen Insel inmitten des Indischen Ozeans ins mittelalterliche Ulm verlagert. Jetzt können sich bis zu vier Spieler in der altehrwürdigen Freien Reichsstadt tummeln, und das in „Tempora in Priscum Aurum“, wie es im Untertitel von „Ulm“ heißt, also in den Golden Zeiten der Stadt zu Beginn des 16. Jahrhunderts.

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Spieleautor Günter Burkhardt: Er hat ein überaus anspruchsvolles „Ulm“-Spiel erfunden, das es auf der Spielemesse in Essen unter die Top 10 geschafft hat. (Foto: Volkmar Könneke)
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