Asthmaspray als Dopingmittel? Studie der Ulmer Universitätsmedizin

30. August 2022

Untersuchung der Ulmer Universitätsmedizin überprüfte den Effekt von Asthma-Medikamenten auf die Leistungsfähigkeit von Sportler*innen

Inwieweit Asthma-Medikamente sich auf die Leistungsfähigkeit von Profisportler*innen auswirken, untersuchten Forschende in einer Studie der Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin des Universitätsklinikums Ulm, die in den letzten zwei Jahren durchgeführt wurde. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Anwendung von medizinisch nicht indizierten Asthma-Medikamenten Veränderungen der Lungen- oder Herzfunktion bei Ausdauersportarten hervorrufen können. Beide Effekte wirken sich nach aktueller Evidenzlage potenziell sehr leistungssteigernd aus. Kooperationspartner in dieser Studie sind die renommierten Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Maria Kristina Parr (Freie Universität Berlin, Institut für Pharmazie) und Prof. Dr. Patrick Diel (Deutsche Sporthochschule Köln, Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin). Die Kooperationspartner führten zusätzliche Experimente zu anabolen Effekten von Asthmamedikamenten in Zellkultur sowie massenspektrometrische Spurenanalysen durch.

„Der häufige Gebrauch von Asthma-Sprays bei Leistungssportlerinnen und -sportlern legt den Verdacht auf leistungsfördernde Nebenwirkungen nahe“, sagt Prof. Dr. Jürgen M. Steinacker, Ärztlicher Leiter der Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin am Universitätsklinikum Ulm. Denn Asthmasprays können Effekte auf den Muskel haben und zum Beispiel das Muskelwachstum anregen.

Bisher sind bestimmte Asthmasprays im Leistungssport nicht verboten, aber anwendungsbeschränkte Mittel. Die Welt-Anti-Doping-Agentur setze sich für eine Aufklärung der Thematik ein und finanzierte nach einer internationalen Ausschreibung die Ulmer Studie mit einer Fördersumme von 315.000 Dollar.

Die Studie lief wie geplant zwei Jahre – ein Jahr für den praktischen Teil und ein Jahr für die Auswertung – und konnte trotz Pandemie erfolgreich durchgeführt werden. Als wichtigste Erkenntnisse konnten unter anderem folgende Rückschlüsse gezogen werden:

  1. Das Studiendesign war sowohl für Frauen als auch für Männer geeignet und lieferte aufgrund der rigiden und sorgfältigen Einschlusskriterien valide Studienergebnisse in Hinblick auf den Einfluss von Asthma-Sprays auf die Leistungsfähigkeit bei beiden Geschlechtern.
  2. Herzfunktion:

Es konnte ein Behandlungseffekt auf die Myokardkontraktilität, also die Kontraktionsfähigkeit des Herzmuskels, gemessen durch die echokardiographische Funktion (Global Longitudinal Strain) nachgewiesen werden. Ein deutlicher Effekt zeigte sich nach der kombinierten Behandlung mit den Medikamenten Salbutamol und Formoterol.

  1. Lungenfunktion:

Unmittelbar nach dem 10-minütigen Leistungstest zeigten die Proband*innen eine weiterhin erhöhte Einsekundenkapazität, also die größtmögliche Menge an Luft, die innerhalb von einer Sekunde forciert ausgeatmet werden kann.

  1. Zudem ergeben sich bei der Anwendung von medizinisch nicht indizierten inhalativen ß2-Agonisten möglicherweise (in höherer Dosierung oder bei der Kombination von kurz- und langwirksamen ß2-Agonisten) positive Effekte auf Gesunde und deren sportliche Leistung durch Effekte auf die Einsekundenkapazität.
  2. Auf genetischer Ebene im Muskel zeigten sogenannte Pathway-Analysen, mit denen man die Hoch- oder Runterregulierung von Genen untersuchen kann, Unterschiede in der Aktivierung des mit der Wirkung der Asthmamedikamente zusammenhängenden Adrenozeptors Beta 2 (ADRB2) durch die Behandlung. Auf der Grundlage dieser Genanalysen mit der sogenannten Microarray-Technologie zeigte sich bei einer kombinierten Medikation eine statistisch bedeutende Hochregulation der ADRB2 Gene um den Faktor 1,53 im Vergleich zur Placebo-Gabe. Zudem war das sogenannte NR4A2-Gen als ein potentieller Regulationsmechanismus für eine verbesserte Regulierung der Stoffwechselleistung bei Ausdauer- oder Krafttraining hochreguliert.
  3. Ein klarer Behandlungseffekt konnte für die Hormone LH, FSH und Insulin im Blut gezeigt werden, was die anabole, also aufbauende Wirkung der ß2-Agonisten verdeutlicht und potentiell bei längerer Anwendung Einfluss auf die körperliche Leistungsfähigkeit haben könnte.
  4. In den Urinproben wurde dabei keine Konzentration detektiert, die als Doping gewertet würde, wenn es eine echte Dopingkontrolle wäre.
  5. Die Kölner Arbeitsgruppe untersuchte die anabolen Effekte in C2C12-Zellkulturen über einen längeren Zeitraum und zeigte dabei ganz eindeutig die anabolen Effekte von b2-Agonisten auf das Muskelzellwachstum in vitro.

Können die Veränderungen der Lungen- oder Herzfunktion bei Ausdauersportarten nun, z. B. bei einsetzender Ermüdung, durch die Verabreichung des Medikaments während eines Wettkampfs begünstigt werden? „Beide Effekte könnten sich nach aktueller Evidenzlage potenziell leistungssteigernd auswirken“, sagt Professor Jürgen Steinacker. „Weitere Studien müssen dieser Frage nun nachgehen, um einen möglichen Wettbewerbsvorteil auszuschließen und die Gesundheit aller Athletinnen und Athleten zu schützen. Mögliche Implikationen für die Doping-Kontrolle dieser Substanzen sowie potentielle Nebenwirkungen sollten nun diskutiert werden.“

 

Zur Studie

Insgesamt 24 Proband*innen – 12 sportliche Männer und 12 sportliche Frauen im Alter von 18 bis 45 Jahren – radelten einmal in der Woche in der Sektion Sport- und Rehabilitationsmedizin zehn Minuten lang bei höchstmöglicher körperlicher Leistungsfähigkeit im Rahmen eines simulierten Time Trials (TT). Die Medikamente Formoterol und Salbutamol sowie ein Placebo wurden in verschiedenen Kombinationen eingesetzt. Durch das hochselektive Probanden-Screening bei dieser klinisch hoch anspruchsvollen Studie reichen die erhobenen Daten – nach Vor- und Nachanalyse der universitätseigenen Biometrieabteilung – vollständig aus, um valide und vergleichbare Rückschlüsse auf die Medikamentenwirkung dieser Phase-I-Studie zu ziehen.

Alle Proband*innen wurden vor Einschluss in die Studie intensiv auf ihre gesundheitliche und körperliche Eignung sowie ihre wettkamporientierte Erfahrung und Ausdauerleistung untersucht, um möglichst genau die Verhältnisse im Hochleistungssport abzubilden. Bei den Proband*innen wurden unter anderem die erbrachte Leistung, die Lungenfunktion, der Blutdruck und Herzkontraktilitäts-Veränderungen bestimmt sowie nach der Belastung eine Muskelbiopsie am Oberschenkel entnommen, also eine sehr aufwendige experimentelle Untersuchung.

Foto: Universitätsklinikum Ulm
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