Bauernkinder leiden seltener an Asthma und Allergien, so viel ist bekannt. Und auch die Gründe scheinen für den „Normalbürger“ auf der Hand zu liegen: Die weniger sterile Umgebung schützt Mädchen und Jungen vor Überempfindlichkeiten. „Tatsächlich handelt es sich bei Asthma und Allergien um ein Zusammenspiel von genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen“, erklärt Dr. Jon Genuneit vom Institut für Epidemiologie an der Universität Ulm. Gemeinsam mit den Ulmer Forschern Dr. Gisela Büchele und Nikolaos Sitaridis hat Genuneit jetzt neue Ergebnisse der sogenannten GABRIEL-Studie im New England Journal of Medicine publiziert: Offenbar schützen Mikroorganismen vor Asthma und Allergien. Die GABRIEL-Studie untersucht Ursachen und den Verlauf von Asthma im ländlichen Umfeld.
Die Geschichte der Erhebung, die von Forschergruppen in Baden-Württemberg und Bayern sowie den deutschsprachigen Regionen Österreichs, der Schweiz und in Polen durchgeführt wird, beginnt vor rund fünf Jahren. Die Wissenschaftler haben 10 000 Bauernkindern sowie Mädchen und Jungen aus der ländlichen Referenzgruppe Blutproben entnommen, außerdem sind die Kinder gemessen und gewogen worden. Von den Eltern ausgefüllte Fragebögen gaben Aufschluss über Aktivitäten der Mädchen und Jungen wie Kühe melken oder misten. Mit den so gewonnenen Daten konnten die Wissenschaftler zunächst bestätigen, dass ein bäuerliches Umfeld vor Asthma und Allergien schützt. Kontakte mit beispielsweise Rindern, Heu und Stroh scheinen diesen Effekt zu begünstigen. Allerdings müssen diese Einflüsse bereits während der Schwangerschaft der Bäuerin und in der frühkindlichen Phase bestehen.
Bei Hausbesuchen sind auch Staubproben aus den Kinderzimmern genommen worden. Dieser Umweltteil der GABRIEL-Studie steht im Zentrum der neuesten Publikation. „Auf diese Weise suchen wir eine Antwort auf die Frage, ob bestimmte Expositionen auf dem Bauernhof, also Bakterien und Pilze, erklären, dass Bauernkinder weniger Allergien und Asthma entwickeln als ihre Klassenkameraden“, so Genuneit. Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass Bauernkinder offenbar einer größeren Vielfalt von Mikroorganismen ausgesetzt sind. Nun stellt sich die Frage, welche Mikroorganismen einen besonders positiven Einfluss auf die Entwicklung des Immunsystems haben. „Bisher haben wir dafür Anhaltspunkte, bewegen uns aber noch auf der Ebene von Gruppen“, erklärt Jon Genuneit. Um eigene Ergebnisse zu erhärten, beziehen sich die Forscher auch auf die so genannte PARSIFAL-Studie (Prevention of allergy risk factors for sensitisation in children related to farming and anthroposophic lifestyle), in der Wissenschaftler mit ähnlichem Forschungsinteresse Staubproben aus Matratzen untersucht haben.
In einem nächsten Schritt wollen die Epidemiologen Teilnehmer der GABRIEL-Studie jährlich befragen. Auftakt war im vergangenen Sommer. Die Forschungsfragen lauten unter anderem: Wie entwickeln sich Asthma und Allergien in der Pubertät? Hält der Schutz des bäuerlichen Umfelds an? Und welchen Einfluss hat das Rauchen auf die Entwicklung von Asthma bei Bauernkindern und der übrigen Landbevölkerung? „Bei den mehr als 2000 kontaktierten Familien war die Bereitschaft, weiterhin an der Erhebung teilzunehmen, erfreulich hoch. Nur so können belastbare Forschungsergebnisse entstehen, die uns im Kampf gegen Asthma und Allergien weiterbringen“, erklärt Genuneit. Wurde die ursprüngliche GABRIEL-Studie noch mit EU-Geldern finanziert, erhält Jon Genuneit für die nächsten zwei Jahre Nachwuchsförderung von der Universität Ulm.
Markus J. Ege, M.D., Melanie Mayer, Ph.D., Anne-Cécile Normand, Ph.D., Jon Genuneit, M.D., William O.C.M. Cookson, M.D., D.Phil., Charlotte Braun-Fahrländer, M.D., Dick Heederik, Ph.D., Renaud Piarroux, M.D., Ph.D., and Erika von Mutius, M.D. for the GABRIELA Transregio 22 Study Group. N Engl J Med 2011; 364:701-709.
GABRIEL-Studie:
Mikroorganismen schützen vor Asthma und Allergien
Bauernkinder leiden seltener an Asthma und Allergien, so viel ist bekannt. Und auch die Gründe scheinen für den „Normalbürger“ auf der Hand zu liegen: Die