Weniger bauliche Barrieren bedeuten mehr Komfort für alle – nicht nur für Menschen mit Einschränkungen, sondern auch für Eltern mit Kinderwagen oder Geschäftsleute mit Rollkoffern: Dieser Perspektivwechsel auf das Thema barrierefreies Bauen ist Ralph Ziemann wichtig, Sachverständiger und Gutachter für barrierefreies Planen und Bauen. Ziemann ist selbst auf einen Rollstuhl angewiesen und kennt das Thema Bewegungsunmöglichkeit aus dem eigenen Erleben. „Wer uneingeschränkt mobil ist, kann sich nicht vorstellen, was sechs Prozent Steigung oder 15 Zentimeter hohe Schwellen tatsächlich für einen Behinderten bedeuten“, sagt er. Deshalb sei es wichtig, den Blickwinkel zu verändern und vor allem: am Bau Beteiligte zu schulen.
Als Sachverständiger ist Ziemann im Planungs- und Bauprozess beteiligt und setzt sich dafür ein, Menschen mit Behinderungen ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen sowie die Teilhabe am öffentlichen, indem bauliche Barrieren abgebaut werden. Seine Tätigkeit, so Ziemann, beziehe sich nicht nur auf den Wohnbereich oder Arbeitsplatz, sondern auf alle Gebäude und Flächen im öffentlichen Raum. Ralph Ziemann sieht sich selbst als Pragmatiker, der Lösungen sucht, die realisierbar sind. „Das kann auch ein Kompromiss sein“, sagt er, „Hauptsache, die Barrierefreiheit wird verbessert“.
Als selbst Betroffener wird der Sachverständige und Gutachter für barrierefreies Planen und Bauen „als besonders glaubwürdig“ wahrgenommen; so könne er – ergänzend zu den gesetzlichen Forderungen – durch die Schilderung eigener Erlebnisse die Notwendigkeit von Barrieren befreienden Maßnahmen anschaulich vermitteln. Dabei gehe es nicht nur darum, Richtlinien und Normen zu beachten, sondern kreative Möglichkeiten der Umsetzung zu finden. Das sogenannte Schutzziel sei in der Landesbauordnung formuliert: Bei Bauprojekten sei die Barrierefreiheit umzusetzen – doch selbst bei Neubauten würde dies nicht unbedingt umgesetzt, kritisiert Ziemann.
Er selbst hat sich in den vergangenen Jahren immer weiter für die Tätigkeit als Sachverständiger und Gutachter qualifiziert, u. a. an der Akademie der Hochschule Biberach. Hier werden verschiedene Weiterbildungsprogramme für Architekten und Planer angeboten. Ralph Ziemann gehörte 2015 zu den ersten Teilnehmern des damals im Programm aufgenommenen Lehrganges „Sachverständige/r Barrierefreies Bauen“. Heute ist er als Sachverständiger und Gutachter für barrierefreies Planen und Bauen gefragt. Einen Vorteil des Fortbildungsangebotes sieht er im Praxisbezug. Die Teilnehmer lernen nicht nur theoretisch, was zu beachten ist, sondern haben zum Ende des Lehrgangs auch selbst ein Prüfungsgutachten erstellt – und direktes Feedback der Dozentin Dipl.-Ing. (FH) Nadine Metlitzky erhalten. Die Architektin ist selbst öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Barrierefreies Bauen und bietet ein Programm in drei Blöcken an, in dem die Grundlagen für die Sachverständigentätigkeit und die Erstellung eines Gutachtens vermittelt werden; im dritten Block „Gutachterworkshop“ wird ein anonymisiertes Gutachten erstellt und in der Lehrgangsgruppe vorgestellt und diskutiert. „Diese Übung gibt Sicherheit“, sagt Teilnehmer Ralph Ziemann.
Die Akademie der Hochschule Biberach bietet die Fortbildung ab September dieses Jahres wieder an. Die Blöcke erstrecken sich über einen Zeitraum bis März 2018. Anmeldungen sind ab sofort möglich; weitere Informationen bietet der Internetauftritt der Akademie unter www.akademie-biberach.de/barrierefrei
Der Sachverständigenlehrgang baut auf der Weiterbildung „Intensivlehrgang FachplanerIn Barrierefreies Bauen“ sowie den dazu gehörigen Vertiefungsmodulen der Akademie der Hochschule Biberach auf; Teilnehmer müssen diese Fortbildung oder vergleichbar fundierte Fachplaner-Ausbildungen absolviert haben.
Kreative Lösungen suchen – Barrieren abbauen
Die Akademie der Hochschule Biberach bietet ab September eine Qualifikationsmöglichkeit für Architekten und Planer im Bereich Barrierefreies Planen und Bauen an. Das Medienteam der Hochschule hat zu diesem Thema ein Gespräch mit einem der ersten Teilnehmer geführt, der inzwischen als Gutachter und Sachverständiger arbeitet. Herr Ziemann ist selbst auf einen Rollstuhl angewiesen, kennt Barrieren also auch aus dem eigenen Erleben.