Der Schlüssel zur Integration

5. Juli 2021

Anis Balha (31) kam 2018 aus Libyen als Arbeitskraft nach Deutschland. Beim jüngsten Dialogforum „Asyl und Integration“ im Landratsamt Neu-Ulm erzählte er seine Geschichte als „Best Practice“-Beispiel.

„Ohne Fleiß kein Preis“, sagt Anis Balha. Er weiß, wovon er spricht, denn der 31-jährige Libyer hat in den drei Jahren, die er nun in Deutschland lebt, fließend Deutsch gelernt, den deutschen Führerschein gemacht und sich auch sonst hervorragend in unsere Gesellschaft integriert. Von Null auf das Sprachniveau C1 in Deutsch (das ist Universitätslevel) – diese rekordverdächtige Leistung bescherte ihm eine Anstellung bei der Regierung von Schwaben als Ehrenamtskoordinator in der ANKER-Dependance im Neu-Ulmer Hochspeicher. Beim jüngsten Dialogforum „Asyl und Integration“ im Landratsamt Neu-Ulm erzählte Anis Balha seine Geschichte als „Best Practice“-Beispiel.

Im März 2018 kam er nach Deutschland. Über eine Job-Plattform im Internet hatte er sich bei einem Neu-Ulmer Kartbahn-Betreiber beworben. Eine Marktanalyse hatte ergeben, dass eine Expansion der Firma in den arabischen Raum erfolgsversprechend sein könnte. Dafür brauchte sie jemanden, der sich dort auskennt – und fanden Anis Balha.

Er bekam den Job als Projektmanager International. Schon zu Hause hatte er mit einem Online-Kurs begonnen, Deutsch zu lernen. In Neu-Ulm angekommen, besuchte er vormittags einen Intensivsprachkurs, und nachmittags arbeitete er in der Firma. Er tat alles, um sich schnell und gut im neuen Land, in dem er nun lebte, zu integrieren. Sein Arbeitgeber Benjamin Gasser unterstützte ihn dabei kräftig. Er machte sogar die Ausbildung zum ehrenamtlichen Integrationsbegleiter, den die Integrationslotsin des Landkreises Neu-Ulm, Margarete Fischer, anbietet und vermittelt.

Als Corona über Deutschland hereinbrach, musste die Kartbahn zehn Monate lang schließen. Ebenso sah sich das Unternehmen gezwungen, seine Expansionspläne in die arabische Welt auf unbestimmte Zeit auf Eis zu legen. Unter diesen Umständen entschied Balha, sich beruflich umzuorientieren. Gasser half ihm, eine andere Arbeitsstelle zu finden. Die Regierung von Schwaben zeigte sich von den Fähigkeiten und der Persönlichkeit des jungen Libyers überzeugt und gab ihm die Stelle als Ehrenamtskoordinator im Neu-Ulmer ANKER-Zentrum.

In seiner Funktion koordiniert Balha Angebote sowohl von ehrenamtlich Engagierten als auch von Wohlfahrtsverbänden für die Bewohner der Unterkunfts-Dependance Neu-Ulm. Dazu gehören zum Beispiel gemeinsame Aktivitäten wie Deutsch- oder Erste-Hilfe-Kurse oder Sport- und Freizeitangebote.

Derzeit sind im Speichergebäude 168 ausschließlich erwachsene Migranten – die meisten aus Syrien, dem Irak und der Türkei – untergebracht. 31 davon besuchen die Berufsschule in Neu-Ulm. Am 1. April 2021 nahm Anis Balha seine neue Tätigkeit auf. Jan Berger, Verwaltungsteamleiter bei der Regierung von Schwaben, weiß über ihn nur Gutes zu berichten: „Wir sind sehr zufrieden mit Anis.“

Der Gelobte gibt das Kompliment zurück und bedankt sich seinerseits bei der Regierung, dem Landratsamt und seinem bisherigen Neu-Ulmer Arbeitgeber für die „große Unterstützung“. Aber wenn er selbst nicht so viel Eigenmotivation und Engagement aufgebracht hätte, wäre diese Unterstützung wohl ins Leere gelaufen. „Man muss es auch wirklich wollen“, fasst Anis Balha das Geheimnis seines Erfolgs in einem deutschen Satz zusammen.

Doch was steckt dahinter?  – Der Zuwanderer gewährte vor den Asyl- und Integrationshelferinnen/-helfern beim Dialogforum im Landratsamt Einblicke in seine Methoden. Er habe früh nur noch Deutsch geredet, nicht mehr Arabisch oder Englisch. Im Fernsehen schaute er nur noch deutsche Programme: Nachrichten, Serien, Filme, Talkshows. Sehr hilfreich seien dabei die Videotext- beziehungsweise Streaming-Untertitel gewesen. Sein Handy stellte Anis Balha auf Deutsch um. Er hörte viel deutsche Musik und suchte Wortdefinitionen für Vokabeln. So wurde er zum regelrechten Fan der deutschen Grammatik und begann schließlich sogar, in Deutsch zu denken.

Die deutsche Sprache möglichst gut zu lernen – das sei in erster Linie der Schlüssel zum Glück in seinem Aufnahmeland, hebt Anis Balha hervor. Darüber hinaus nahm er sowohl in der Arbeit als auch in der Freizeit am deutschen Leben teil, freundete sich mit Einheimischen an, feierte mit ihnen sogar gemeinsam Weihnachten. Er absolvierte neben Sprachkursen das Seminar „Leben in Deutschland“, interessierte sich für die Kultur, Geschichte und das Gesellschafts- und Rechtssystem Deutschlands. Er eignete sich die deutschen Verkehrsregeln an und machte dann sogar den deutschen Führerschein. „Es ist schön zu sehen, wie Integration gelingen kann, wenn der Wille dazu da ist und die Unterstützung von engagierten Ehrenamtlichen hinzukommt“, sagte Margarete Fischer. Die Integrationslotsin und Integrationsbeauftragte des Landratsamtes Neu-Ulm hatte das Dialogforum wieder organsiert.

Auch Landrat Thorsten Freudenberger nahm daran teil. Er rief in Erinnerung, dass der Landkreis das Dialogforum „Asyl und Integration“ während der großen Flüchtlingswelle 2015 aus der Taufe gehoben habe. Seither finde es regelmäßig als Austausch- und Informationsforum für die ehrenamtlichen Asyl- und Integrationshelfer im Landkreis statt. „Ich danke Ihnen von Herzen für Ihr großes Engagement, ohne das die tägliche Herausforderung Asyl und Integration nicht geschultert werden könnte“, sagte Freudenberger.

Anerkennung und Dank erhielten der Landrat und seine führenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Asylbereich (Karen Beth, Jochen Grotz, Alexander Groß und Margarete Fischer) aber auch ihrerseits aus berufenem Munde. Benjamin Gasser, der Förderer und Unterstützer von Anis Balha, meldete sich zu Wort und stellte heraus: „Ich finde es großartig, dass das Landratsamt sich so stark für ehrenamtliche Akteure und die zugewanderten Menschen in unserem Landkreis engagiert.“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

INFO: Aktuelle Zahlen aus dem Bereich Asyl

  • Derzeit gibt es im Landkreis 23 dezentrale Unterkünfte: in Neu-Ulm, Senden, Nersingen-Unterfahlheim, Vöhringen, Unterelchingen, Illertissen, Jedesheim, Altenstadt, Pfaffenhofen, Weißenhorn und Roggenburg.
  • Insgesamt sind darin 509 Bewohnerinnen und Bewohner untergebracht (Stand 01.06.2021).
  • Die Anzahl der dezentralen Unterkünfte ist weiterhin rückläufig. Der höchste Stand im Landkreis datiert aus dem Jahr 2017 mit 63 Unterkünften.
  • Die Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner in den dezentralen Unterkünften ist ebenfalls zurückgegangen. Im Januar 2021 waren es noch 548 Bewohnerinnen und Bewohner. Der höchste Stand im Landkreis lag Anfang 2016 bei 1800 Personen.

Die Regierung von Schwaben betreibt im Landkreis zwei Gemeinschaftsunterkünfte

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[Foto: Jürgen Bigelmayr / Landratsamt Neu-Ulm]
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