Exorbitant gestiegene Strom- und Gaspreise sowie eine potenzielle Gasmangellage, bei der Unternehmen der Gashahn zugedreht werden könnte, haben im frühen Herbst 2022 die Verunsicherung nach oben schnellen und die Stimmung in der Wirtschaft der IHK-Region Ulm abstürzen lassen. Inzwischen hat sich die Situation wieder aufgehellt. Der befürchtete starke Einbruch der Konjunktur ist ausgeblieben. Aber Risiken bleiben.
Der bislang überwiegend milde Winter und der verringerte Energieverbrauch der Wirtschaft haben die Gasreserven geschont, die Preise auf den Energiemärkten sind deutlich zurückgegangen. Zudem fangen die Preisbremsen künftige Preisspitzen ab. Der Anteil der Unternehmen, die in der Entwicklung der Energiepreise für die kommenden Monate ein Geschäftsrisiko sehen, ist daher von 87 Prozent im Herbst auf nun immerhin 70 Prozent gesunken. Hinzu kommt eine allmähliche Entspannung bei den Lieferengpässen und eine positivere Entwicklung bei den Exporten – auch wegen des schwachen Euros.
In der Folge hat die Zufriedenheit mit dem Verlauf der eigenen Geschäfte in vielen Unternehmen wieder zugenommen. Knapp die Hälfte der Betriebe befindet sich zu Jahresbeginn in einer guten aktuellen Lage, vier von zehn Unternehmen beurteilen ihre derzeitige Situation als befriedigend, gut zwölf Prozent geht es schlecht.
Weiterhin kritisch sehen vor allem einige Einzelhändler und zahlreiche kleine Unternehmen mit bis zu 20 Beschäftigten ihre Lage. Während drei Viertel aller großen Unternehmen und die Hälfte der mittleren Betriebe (20 bis 199 Beschäftigte) über gestiegene Umsätze berichten, hat das nur knapp jedes vierte kleine Unternehmen erreichen können. Fast doppelt so viele kleine Betriebe (42 Prozent) klagen dagegen über Erlösrückgänge. Da es diesen Unternehmen häufig schwerfällt, gestiegene Kosten über höhere Absatzpreise an ihre Kunden weiter zu reichen, stehen ihre Erträge zusätzlich unter Druck. Bei den mittleren Betrieben müssen dagegen nur 17 Prozent, bei den großen nur neun Prozent mit rückläufigen Umsätzen zurechtkommen.
„Insgesamt dürfte die regionale Wirtschaft besser als erwartet durch die Energie-Krise kommen. Die Unternehmen blicken auch lange nicht mehr so pessimistisch nach vorne wie vor einigen Monaten. Es bleiben aufgrund der unsicheren Energieversorgung und Energiepreise aber Risiken. Ein Wirtschaftswachstum in der eigentlich erforderlichen Höhe sehen wir jetzt noch nicht“, fasst IHK-Präsident Dr. Jan Stefan Roell die Ergebnisse des IHK-Konjunkturberichtes zusammen.
Deutlich weniger Pessimismus, aber gewisse Skepsis bleibt
Die Geschäftserwartungen zeigen einen deutlichen Aufwärtstrend: Ein Fünftel der Unternehmen blickt zuversichtlich nach vorn, in etwa doppelt so viele wie im Herbst 2022. Der Anteil der Betriebe, der Rückschläge befürchtet, hat sich auf aktuell 25 Prozent halbiert. Die Mehrheit der Betriebe (55 Prozent) erwartet einen gleichbleibenden Geschäftsverlauf. Folglich hat der Pessimismus in der Wirtschaft deutlich abgenommen. Die Erwartungen liegen insgesamt aber immer noch leicht im negativen Bereich. Eine gewisse Skepsis bleibt. Die Unternehmen erwarten im laufenden Jahr überwiegend Stagnation und Seitwärtsbewegung
Der Auftragseingangsindikator (Differenz zwischen steigender und abnehmender Nachfrage) hat sich von -40 auf -11 Punkte spürbar verbessert. Das verbleibende kleine Minus dürften viele Unternehmen dank ihrer gut gefüllten Auftragsbücher vorerst kompensieren können, sofern sich Lieferkettenprobleme weiter auflösen sollten, die zuvor das Abarbeiten der eingehenden Aufträge behindert haben. Mit mehr als einer Stabilisierung der Nachfrage aus dem In- und Ausland rechnet die regionale Wirtschaft jedoch für die nächsten zwölf Monate nicht. Das gilt auch für die exportstarke regionale Industrie. Allein aus Nordamerika verspricht sich die Industrie etwas kräftigere Impulse. Mit merklichen Nachfrageimpulsen aus anderen Weltwirtschaftsregionen rechnen dagegen nur wenige Industriebetriebe.
Der Einzel- und Großhandel rechnet in den kommenden Monaten bestenfalls mit tendenziell stagnierenden Geschäften. Die Dienstleister blicken etwas zuversichtlicher nach vorn. Die Bauwirtschaft befürchtet hingegen rückläufige Geschäfte. Im Wohnungsbau senken die gestiegenen Zinsen sowie die hohen Materialpreise die Nachfrage.
Robuster Arbeitsmarkt, Investitionspläne ziehen wieder an
Trotz dieser noch verhaltenen Perspektiven wollen fast zwei Drittel der Unternehmen aus der IHK-Region Ulm ihre Belegschaften in etwa konstant halten. Rund 16 Prozent der Betriebe plant zusätzliche Einstellungen. Dabei erschwert der zunehmende Fachkräftemangel die Besetzung neuer und freier Stellen. Sieben von zehn Unternehmen sehen darin auch ein Geschäftsrisiko.
Größere Hoffnung auf eine konjunkturelle Belebung machen die Investitionsabsichten der regionalen Wirtschaft. 39 Prozent der hiesigen Unternehmen planen ihre Ausgaben für Inlandsinvestitionen gegenüber dem Vorjahr zu erhöhen, 20 Prozent haben ihre Investitionsbudgets gekürzt. In der Industrie wollen sogar 55 Prozent mehr investieren und nur neun Prozent weniger. Investitionen zur Kapazitätserweiterung spielen insgesamt aber nach wie vor eine untergeordnete Rolle.
Ohne wettbewerbsfähige Energiepreise droht Deindustrialisierung
Hinzu kommt: Sechs Prozent der Betriebe geben an, auf die hohen Strom- und Gaspreise mit einer Verlagerung der Produktion ins Ausland reagieren zu wollen. Sieben Prozent wollen die Produktion reduzieren. „Auch die durch Gas- und Strompreisbremse festgelegten Energiepreise liegen letztlich immer noch spürbar über denen anderer, attraktiver Standorte auf dieser Welt. Gerade international aufgestellte und energieintensive Unternehmen wird dies auch bei ihren Standortentscheidungen beeinflussen. Ich glaube, dass weitere Unternehmen unser Land verlassen, wenn es uns nicht schnell gelingt, die Versorgung mit bezahlbarer Energie sicher zu stellen. Die Genehmigungen für den Ausbau erneuerbarer Energien und deren Integration ins Stromnetz müssen daher endlich deutlich schneller erteilt werden“, fordert Roell.