Ein Ausflug in eine andere Welt, jenseits der Realität. Eine Reise in eine fiktive, idyllische Vergangenheit – das alles war die Premierenvorstellung des Circus Roncalli in Neu-Ulm. Unter dem blau-weißen Licht wirken nicht nur die weißen Araber- und Andalusierpferde märchenhaft, die mit ihren langen, weißen Mähnen durch die Manege schreiten. Auch die Reiterinnen in weiß-blauen Gewändern strahlen stolz wie die Rösser selbst.
Warm ist es im beheizten Zelt, anders als im eisigen St. Petersburg. Das Publikum begleitet Huskys und Samojeden-Spitze auf eine Schlittenfahrt durch die Zaren-Metropole. Die Schlittenhunde demonstrieren ihre Lernfähigkeit, springen durch Reifen, tollen eine Rutsche herunter und rasen in Formation die Bande entlang. Die putzigen Samojeden-Spitze wirken auf den Betrachter fast wie kleine weiße Teddybären und wuseln sich in die Herzen des Publikums.
Die Flöte – für viele Menschen das langweiligste Instrument der Welt. Bis sie Gabor Vosteen erleben. Gleich drei Auftritte hat der begnadete Flötenspieler und Komiker während der Vorstellung. Er flötet und pfeift derart professionell und komisch, dass auch die Großen lachen wie Kinder. Die Haare wild statt schön hat Vosteen sein Instrument virtuos im Griff. Nicht nur eine, zum Schluss klingen fünf Flöten parallel zum mehrstimmigen Spiel: Zwei im Mund, zwei in der Nase. Und die fünfte? Richtig geraten. Die fünfte Flöte versucht er mittels Darmgasen zum Pfeifen zu bringen. Aber das Orchester protestiert erfolgreich gegen diesen Spaß, obgleich das Publikum ein begeistertes "Jaaaaa!" grölt. Das Orchester setzt sich durch, der Anstand ist gewahrt.
Einen Auszug aus Giuseppe Verdis Oper Nabucco inszenieren zwei Clowns mit Luftmatratzenpumpen. Artisten bringen das Publikum mit Tauen und Schleuderbrettern zum Staunen und ein Mensch setzt die Physik außer Kraft, indem er sich verbiegt wie ein Ofenrohr. Viel Kraft und absolute Körperbeherrschung demonstrieren die Schwestern Kelly und Alexandra in ihrer Partnerakrobatik in neonfarbenen Kostümen und dazu passendem Licht. Und überhaupt: Allein die farbenfrohen, fantasievollen und aufwändig gestalteten Kostüme sind schon sehenswert. Zusammen mit den Lichteffekten und Darbietungen der Artisten bilden sie eine perfekte Einheit – wie sich überhaupt beim Zirkus Roncalli eins ins andere fügt, alles harmoniert.
Den Abschluss bilden ein Feuerwerk, ein bunter Konfettiregen und viele bunte Luftballons. Die Künstler nehmen einige Besucher an die Hand und führen sie in die Manege, wo sie mit ihnen Walzer tanzen wie beim Wiener Opernball. Die Premierenbesucher wollen gar nicht mehr aufhören zu Klatschen. Mit stehenden Ovationen lassen sie ihrer Begeisterung freien Lauf. Eine größere Belohnung können sich der Zirkusdirektor und sein Ensemble kaum wünschen. Und die Samojeden-Spitze schon gar nicht.
Circus Roncalli, 14.-25.10.2015, Heinz-Rühmann-Straße, Platz vor dem Dietrich-Theater, Neu-Ulm