Unter anderem können sie minimalinvasiv wie eine Nadel in lebende Zellen eingeführt werden. So erhoffen sich die Ulmer Forscher zum einen neue Erkenntnisse in der Zellbiologie. Zum anderen könnte die Krankheitsfrüherkennung dank der Sensorsysteme verbessert werden. Wenn Forscher intrazelluläre Prozesse untersuchen, müssen sie oft relativ große Sonden verwenden. Diese Sonden können biochemische Vorgänge in Zellen nachhaltig beeinträchtigen. Mit extrem kleinen halbleitenden Nanostrukturen, die als aktive Bio-Sensoren in Zellen eingebracht werden, wollen die Ulmer Wissenschaftler ungeahnte Analysen ermöglichen.
Steffen Strehle: „Bei halbleitenden Nanostrukturen reicht oft die Anlagerung weniger Moleküle an der Oberfläche aus, um die elektrische Leitfähigkeit der Struktur deutlich zu ändern. Ist es durch entsprechende Oberflächeneigenschaften nur bestimmten Molekülen möglich, an der Nanostruktur zu haften, können sie hochempfindlich elektrisch nachgewiesen werden.“ Auf Sensorsysteme übertragen eröffnet dieser Mechanismus verschiedene Anwendungsbereiche: Krankheitsspezifische Biomarker könnten sehr früh aufgespürt werden – noch bevor der Patient erste Symptome bemerkt. Wie beschrieben versetzen die Nanosensoren Forscher zudem in die Lage, biochemische Prozesse in Zellen zu studieren, ohne das komplexe Zusammenspiel nennenswert zu stören. So hat Steffen Strehle gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlern den „Herzschlag“ einer einzelnen Herzmuskelzelle intrazellulär aufgezeichnet.
Gesamte Entwicklungskette für Nanosensoren an der Universität Ulm
„Nanosysteme wie diese neuen Sensoren besitzen ein interessantes und vielseitiges Einsatz-Potential. Allerdings kommen aussichtsreiche Laborversuche leider allzu oft nicht in den Anwendungsbereich“, erklärt Steffen Strehle seine Motivation zu Sense-U. In einer interdisziplinären Gruppe aus Ingenieuren sowie verschiedenen Naturwissenschaftlern will der Forscher vom Institut für Elektronische Bauelemente und Schaltungen Errungenschaften der Grundlagenforschung möglichst schnell in die Praxis überführen. Die gesamte Entwicklungskette der Nanosensoren soll an der Universität Ulm stattfinden – von der Materialsynthese über die System-Integration im Reinraum bis hin zur Übertragung in die Anwendung. Wichtige Partner sind dabei Professor Boris Mizaikoff und Dr. Christine Kranz (Institut für Analytische und Bioanalytische Chemie) sowie Professorin Anita Marchfelder vomInstitut für Molekulare Botanik. Unterstützung aus der Industrie erhält Strehle durch die Unternehmen Bruker und Cetoni.
Steffen Strehle hat sich im BMBF-Wettbewerb „NanoMatFutur 2011“ gegen zahlreiche Kollegen durchgesetzt. Deshalb fördert das Ministerium seit November 2012 Sense-U auf Basis des Programms „Werkstoffinnovationen für die Industrie und Gesellschaft“ (WING), das zur High-Tech-Strategie 2020 gehört. Nach Ablauf der vierjährigen Projektzeit plant der Ingenieur Strehle, erste Prototypen für die Bio- und Umweltanalytik sowie für die medizinische Diagnostik vorzustellen. Daraufhin sollen die Sensorsysteme in einer weiteren Forschungsphase verbessert und ihr Anwendungsbereich erweitert werden. „Die Nanostruktur als Funktionselement kann ausgetauscht werden – so werden die Sensoren vielseitig einsetzbar“, sagt Strehle. „Insgesamt sollen aus dem Forschungsvorhaben nicht nur neue Erkenntnisse zur Herstellung von Nanosystemen, sondern insbesondere auch weitere Ansätze für Schnittstellen zwischen biologischen und technischen Systemen hervorgehen.“