Seit Dienstagabend ist die Universität Ulm offiziell ein „Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen“. Beim bundesweiten Wettbewerb der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“ und der Deutschen Bank war der Sonderforschungsbereich „Eine Companion Technologie für kognitive technische Systeme“ (SFB/TRR 62) erfolgreich. Aus mehr als 1000 Bewerbungen haben eine Jury und ein Fachbeirat 100 Projekte ausgewählt, die Chancen der Digitalisierung aufzeigen und vorantreiben. Das Motto des Wettbewerbs: „Stadt, Land, Netz! Innovationen für eine digitale Welt“. Im SFB forschen Ulmer und Magdeburger Wissenschaftler zu intelligenten technischen Systemen („Companions“), die sich hochindividuell auf ihre Nutzer, deren Kenntnisse, Vorlieben und die gegenwärtige Situation einstellen.
„Ich freue mich sehr über diese tolle Auszeichnung. Sie ist eine Bestätigung für die gesellschaftliche Relevanz unserer Forschungsergebnisse und sie gibt uns die Möglichkeit die Konzepte zur Gestaltung zukünftiger Mensch-Technik Interaktion einer breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen“, sagt Professorin Susanne Biundo-Stephan, SFB-Sprecherin und Leiterin des Ulmer Instituts für Künstliche Intelligenz.
Bei der Preisverleihung im Vorfeld der Fachtagung „International Symposium on Companion-Technology“ verdeutlichten SFB-Forscher, was intelligente technische Systeme leisten können: Da wäre ein Verkabelungsassistent, der auch wenig technikbegabte Nutzer durch den Aufbau der Heimkinoanlage führt. Ein mitdenkender Fahrkartenautomat berücksichtigt die aktuelle Situation und Vorlieben seines Gegenübers beim Ticketkauf. Dabei kann die Kommunikation mit dem Companion über Sprache, Gestik, Mimik oder auch via Touchscreen ablaufen. Alternativ greift das technische System auf Daten zurück, die der Nutzer in seinem Smartphone gespeichert und für diesen Zweck freigegeben hat.
Zwei weitere Companions, die den Sprung in die Praxis geschafft haben, stellte Professor Andreas Wendemuth (Universität Magdeburg) vor: Eine intelligente Datenbrille hilft vor allem Berufseinsteigern beim Erlernen komplexer Handlungsabläufe und wurde bereits in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und –automatisierung in den Ausbildungswerkstätten eines großen Automobilherstellers eingesetzt. Seit Kurzem unterstützt ein Dialogassistent Callcenter-Mitarbeiter dabei, kontrollierte und angenehme Telefonate zu führen.
Bei den Vorträgen wurde jedoch auch klar: In den partnerschaftlichen Dienstleistern, die selbstständig planen, schlussfolgern und handeln können, stecken jede Menge Wissen und Technik. Seit 2009 arbeiten im SFB rund 70 Informatiker, Ingenieure, Psychologen, Neurobiologen und Mediziner daran, menschliche Fähigkeiten wie Wahrnehmen und Erkennen, Interaktion und Kommunikation sowie Denken und Handeln auf Companions zu übertragen. Dabei haben die Forscher der Universitäten Ulm, Magdeburg und des Leibniz-Instituts für Neurobiologie Haushaltsgeräte, Smartphones oder sogar „intelligente“ Autos im Visier. „Mit der Companion-Technologie zeigt uns der Sonderforschungsbereich, welchen unmittelbaren Nutzen die Digitalisierung für unseren konkreten Alltag haben kann. Das Projekt macht aber auch deutlich: Ein echter digitaler Wandel kann nur stattfinden, wenn wir den digitalen Wandel aus der Mitte von Wissenschaft und Gesellschaft heraus gestalten“, betont Christoph Grießer, Leiter Marktgebiet Oberschwaben-Bodensee bei der Deutschen Bank, der die Auszeichnung gemeinsam mit Katrin Hennig (Initiative Land der Ideen) überbrachte. Unter den Gratulanten waren unter anderem der Ulmer Universitätspräsident Professor Karl Joachim Ebeling und Oberbürgermeister Ivo Gönner.
Die neuesten Entwicklungen im Bereich Mensch-Technik-Interaktion präsentieren Forscher aus ganz Europa, den USA, Australien und Asien noch bis zum 25. September bei der Fachtagung „International Symposium on Companion-Technology“. An drei Tagen geht es beispielsweise darum, wie Companions Entscheidungen treffen, um ihre Vertrauenswürdigkeit und etwa die Emotionserkennung in der Mensch-Computer-Interaktion. Neben vier Keynotes — unter anderem von den renommierten Forschern Professor Misha Pavel (Northeastern University, USA) und Professor Nick Campbell vom Trinity College im irischen Dublin – steht auch eine interaktive Postersession mit 32 Beiträgen auf dem Programm. Anwendungsbeispiel eines Ulmer Beitrags zur Kooperation zwischen Mensch und Companion-System ist die Erstellung eines individuellen Trainingsplans. Will der Nutzer seine Ausdauer verbessern, unterbreitet ihm das technische System einen Vorschlag und berücksichtigt Termine sowie individuelle Vorlieben des Gegenübers („montags keine schweren Übungen“). „Der Companion bindet den Nutzer in diesen Planungsprozess ein, liefert bei Bedarf Erklärungen und achtet darauf, dass das Trainingsziel erreicht wird“, erklärt Felix Richter, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Künstliche Intelligenz.
Mehr als 90 Registrierungen zur ersten Auflage der Konferenzserie belegen die Relevanz des Forschungsgebiets Mensch-Technik-Interaktion. Und welcher Standort könnte sich besser für die vom SFB organisierte Fachtagung eignen als ein ausgezeichneter Ort im Land der Ideen? „Wir wurden durch die relativ hohe Anzahl von Teilnehmern aus vier verschiedenen Kontinenten und der hohen Anzahl von Postereinreichungen bei der ersten internationalen Tagung zum Thema Companion Technology sehr positiv überrascht. Dies ist ein Beleg für die Aktualität und Relevanz des Forschungsthemas und zeigt das starke Interesse an solch einer interdisziplinären Tagung“, sagt Organisator Professor Enrico Rukzio vom Institut für Medieninformatik.