Multiple Trennwandkolonne halbiert Energie- und Investitionskosten

3. Februar 2022

Ulmer Chemieingenieure haben eine hochleistungsfähige und vor allem nachhaltige Destillationsanlage in Betrieb genommen. Die weltweit einzigartige Multiple Trennwandkolonne bewältigt ebenso viele chemische Trennprozesse wie drei übliche Destillationsanlagen in der Industrie. Dabei verbraucht die Ulmer Kolonne nur halb so viel Energie; die Investitions- und Betriebskosten sind deutlich niedriger. Die Destillation ist ein Kernprozess der chemischen Industrie, der etwa zehn Prozent des globalen Energieverbrauchs ausmacht.

Sie ist fast zehn Meter hoch und erstreckt sich über drei Etagen: Im neuen Technikum der Uni­versität Ulm steht die erste Multiple Trennwandkolonne der Welt. Lange Zeit war strittig, ob der Betrieb einer so komplexen Destillationsanlage überhaupt möglich ist. Doch nach viereinhalb Jahren Forschungsarbeit an der Uni Ulm ist die Umsetzung geglückt. „Unsere Machbarkeitsstudien sind sehr vielversprechend. Die Multiple Trennwandkolonne erlaubt die Auftrennung eines Gemisches, für das bisher drei Destillationsanlagen erforderlich waren. Dabei ist der Energieverbrauch um bis zu 50 Prozent reduziert“, erklärt Professor Thomas Grützner vom Institut für Chemieingenieurwesen.

Die Destillation zählt zu den wichtigsten Prozessen der Chemischen Industrie: Etwa zehn Prozent des globalen Energiebedarfs gehen auf das Konto dieses Trennprozesses – von der Rohölaufbereitung bis zur Herstellung pharmazeutischer Wirkstoffe. Zweck des Vorgangs ist nicht nur die Aufreinigung chemischer Produkte, sondern auch das Recycling von Lösemitteln.

Von einem zukünftigen Ein­satz der Multiplen Trennwandkolonne würden Industrieunternehmen enorm profitieren: Die neuartige Destillationsanlage kann ein Gemisch in vier reine Komponenten trennen. Im Vergleich zu bisher eingesetzten Verfahren sind die Investitionskosten nur etwa halb so hoch.

Professor Thomas Grützner, der die Multiple Trennwandkolonne mit seinem Team erstmals umsetzen konnte, hat selbst viele Jahre in der Chemie-Industrie gearbeitet und ist mit Destillationsprozesse bestens vertraut: „Nach meinem Wechsel an die Universität Ulm habe ich sofort mit der Entwicklung der neuartigen Destillationsanlage begonnen“, erinnert sich der Chemieingenieur. Zunächst arbeiteten Thomas Grützner und sein Team mit mathema­tischen Modellierungen und Computersimulationen, um insbesondere das dynamische Verhalten der Anlage zu verstehen. Hätten die Forschenden Prozesse einer bislang in der Industrie eingesetzten Trennwandkolonne auf ihr Großgerät übertragen, würde das „Anfahren“, also die Inbetriebnahme, jedes Mal mehr als einen Tag dauern. Dank aufwändiger Computersimulationen ist die Beprobung der Multiplen Trennwandkolonne nun schon nach wenigen Stunden möglich.

Vor anderthalb Jahren konnten die Chemieingenieurinnen und -ingenieure den Bau der weltweit ersten Multiplen Trennwandkolonne in Auftrag geben – wozu nur wenige europäische Anbieter in der Lage waren. Zeitgleich musste das neue Technikum an der Universität Ulm fertig gestellt werden: In einer explosionsgeschützten Umgebung konnte die Destillationsanlage der Superlative im September 2021 in den Testbetrieb gehen. Das Großgerät mit einer Heizleistung von 10 kW verfügt über 70 verbaute Sensoren. Der Druck innerhalb der Anlage kann bis zum Vakuum eingestellt werden – je nachdem welches Gemisch getrennt werden soll.

Derzeit lernen die Ulmer Forschenden die Multiple Trennwandkolonne sicher zu bedienen, verschiedene Reinheitsgrade einzustellen und auf Störungen zu reagieren. Dabei stehen sie in engem Kontakt mit internationalen Forschungseinrichtungen und potenziellen Anwenderinnen und Anwendern in der Chemischen Industrie.

„Wenn die Multiple Trennwandkolonne Anwendung in der Industrie findet, trägt unsere Forschung massiv zum Klimaschutz bei. Auf chemische Trennprozesse, die einen relevanten Teil des globalen Energiebedarfs ausmachen, werden Unternehmen auch in Zukunft nicht verzichten können. Die Multiple Trennwandkolonne weist den Weg, wie dieser grundlegende Vorgang energie­effizienter werden kann. Mit unserer Anlage wollen wir demonstrieren, dass der Betrieb funktioniert“, resümiert Thomas Grützner.

Die neuartige Destillationsanlage hat etwa 600 000 Euro gekostet – die Hälfte wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert. Außerdem unterstützte die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) das Projekt.

Weitere Informationen: Prof. Dr.-Ing. Thomas Grützner: 0731 50-25702, thomas.gruetzner@uni-ulm.de

Institut für Chemieingenieurwesen; Labor für Thermische Prozesstechnik [Foto: Eberhardt/ Uni Ulm]
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