Am 29. August besuchten die Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder und Winfried Kretschmann im Vorfeld ihrer gemeinsamen Pressekonferenz zum Thema Wasserstoff im bayerischen Neu-Ulm das Zentrum für Sonnenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) im Ulmer Science Park. Dort entsteht gerade eine einzigartige Brennstoffzellen-Modellfabrik (HyFaB). In ihr entwickeln Fachleute die notwendigen Voraussetzungen und Prozesse für die Großserienproduktion von Brennstoffzellen. Bis zum Jahr 2030 sollen mehr als 80 Millionen Euro in dieses Projekt fließen, das den beginnenden Produktions- und Markthochlauf dieser emissionsfreien, wasserstoff-basierten Antriebstechnologie beschleunigen soll. Die Forschungsfabrik HyFaB ist offen für die Nutzfahrzeug-/Automobil- und Brennstoffzellen-Zulieferindustrie sowie für Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau.
Gefördert vom Land Baden-Württemberg und dem Ministerium für Digitales und Verkehr in Berlin entsteht mit der Forschungsfabrik HyFaB am ZSW in Ulm eine weltweit einzigartige Modellfabrik, die es erlaubt, einzelne Prozessschritte für verschiedene Brennstoffzellenstack-Designs oder Hersteller voneinander unabhängig zu entwickeln. Neben Herstellprozessen sollen auch Fachkräfte qualifiziert und Branchenwissen generiert werden. Das alles liefert die Grundlage, um ein Zukunftsfeld der klimafreundlichen Mobilität auf Basis von grünem Wasserstoff zu erschließen.
„Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien werden beim weiteren Umbau der Energiesysteme mit einer weitreichenden Umstellung auf innovative und emissionsarme Technologien eine Schlüsselrolle einnehmen. Wir müssen daher jetzt die Grundlage dafür schaffen, die Versorgung mit dem Energieträger im Süden Deutschlands für die Zukunft sicherzustellen. Baden-Württemberg und Bayern bündeln dabei ihre Kräfte, um sich als Technologiestandorte für Wasserstoff und Brennstoffzellen weiter zu stärken. Unsere renommierten Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen wie zum Beispiel das ZSW sowie die hohe technologische Kompetenz und Innovationskraft unserer Unternehmen bieten dafür exzellente Chancen. So sichern wir Arbeitsplätze und er-öffnen neue Absatzmöglichkeiten auch außerhalb Europas“, sagte Ministerpräsident Winfried Kretschmann.
Ministerpräsident Dr. Markus Söder: „Der Süden wird Wasserstoff-Raum: Bayern und Baden-Württemberg gründen eine Wasserstoff-Allianz. Wir haben höchste Kompetenzen für den Energieträger der Zukunft. Wir bündeln die Zusammenarbeit auf einer gemeinsamen Plattform. Zusammen investieren wir fast eine Mrd. Euro in Forschung und Entwicklung. Die Süd-Länder müssen dringend ans europäische Wasserstoff-Netz angebunden werden. Bisher wird leider nur im Norden geplant. Der Bund muss das ändern. Wir haben die Kompetenz, deshalb brauchen wir auch die Anbindung. Das deutsche Leistungsherz liegt im Süden. Wenn der süddeutsche Motor nicht läuft, dann hat Deutschland ein Problem. Beide Länder wollen erneuerbare Energien noch stärken. Wasserstoff ist dabei eines der zentralen Elemente der Zukunft. Wir sind das Wasserstoff-Tandem des Südens.“
Brennstoffzellen seriennah (HyFaB)
„Alle großen Brennstoffzellenfirmen in Deutschland sind seit vielen Jahren Partner und Kunden des ZSW. Gerade für sie haben wir in den letzten 18 Monaten zusammen mit dem Land Baden-Württemberg massiv in eine Ausweitung der Testkapazitäten investiert. Hinzu kommt die neue HyFaB-Fertigungshalle und der Seminartrakt, die sich beide aktuell im Bau befinden. Wir freuen uns sehr, dass wir den Ministerpräsidenten von Bayern und Baden-Württemberg heute ein wenig von der Aufbruchsstimmung bei Brennstoffzellen mitgeben konnten“ sagt Professor Markus Hölzle, der die Aktivitäten des ZSW am Standort Ulm leitet.
Das ZSW in Ulm forscht seit über 30 Jahren an Brennstoffzellen. Heute betreibt es gleich zwei wesentliche Forschungseinrichtungen: Das größte unabhängige Brennstoffzellen-Testfeld Europas und eines der drei führenden, unabhängigen Wasserstoff-Qualitätslabore (HyLaB) weltweit. Als Partner der Industrie unterstützt das Institut alle wichtigen Entwickler von Brennstoffzellenantrieben und Brennstoffzellenstacks. Parallel arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Forschungsprogrammen an der weiteren Optimierung von bestehenden Komponenten, kostengünstigeren Herstellverfahren oder sogar an ganz neuen Hochleistungsbrennstoffzellen. Dabei wird ein großer Leistungsbereich von wenigen Milliwatt bis hin zu 200 Kilowatt abgedeckt.
HyFaB unterstützt große und kleine Unternehmen beim Produktionshochlauf von PEM-Brennstoffzellenstacks. Neben der eigentlichen Herstellung und Qualitätsprüfung von Brennstoffzellenstacks sollen insbesondere die Fachkräfte von morgen qualifiziert werden. Der Bund sieht für die nächsten Jahre hierzu eine Projektförderung von bis zu 30 Millionen Euro vor. Außer dem ZSW sind noch das Fraunhofer ISE aus Freiburg und die Arbeitsgemeinschaft Brennstoffzellen des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) am HyFaB-Projekt beteiligt. Das Wirtschaftsministerium fördert die Neubauten am ZSW mit rund 18 Millionen Euro.
Brennstoffzellenzentrum Süddeutschland
Fast alle wichtigen Produzenten von Brennstoffzellen und deren Komponenten liegen im süddeutschen Raum und deshalb fällt den beiden Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern große Bedeutung zu. Die Herstellung von Brennstoffzellensystemen passt ideal zur mittelständischen und durch das Automobil geprägten Industrie in diesen Bundesländern und bietet somit eine ideale Perspektive für die Zeit nach dem Verbrennungsmotor.
Die ersten brennstoffzellen-betriebenen Lkw aus deutscher Produktion werden ab dem Jahr 2024 verfügbar sein. Mit kurzen Betankungszeiten und großen Reichweiten bis 1.000 Kilometer bieten sie eine ideale Zukunftsalternative für den Schwerlastverkehr. Es ist nun Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sich Brennstoffzellenantriebe zusammen mit der notwendigen Tankstelleninfrastruktur schnell entwickeln und im Markt verbreiten können.
Europäische Wasserstoffpläne bis 2030
Die Zukunft grünen Wasserstoffs in Deutschland und Europa hängt aber maßgeblich mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien zusammen, die für seine Herstellung erforderlich sind. Mehr Erneuerbare in Deutschland bieten mehr Potenzial für eine heimische Produktion. Doch es ist auch klar: Wir werden nach derzeitigem Stand weiterhin Energie importieren müssen, nicht zuletzt – oder vielmehr zuallererst – Wasserstoff und seine Folgeprodukte. Wie hoch die Importanteile 2030 ausfallen werden, ist heute noch nicht exakt zu bestimmen. Dennoch müssen und können Deutschland und Europa schon heute die entstehenden globalen Märkte aktiv mitgestalten.
Die beschlossene EU-Wasserstoffstrategie vom 8. Juli 2020 sieht bereits ab 2030 vor, dass erneuerbarer Wasserstoff und seine synthetischen Folgeprodukte wie e-Kerosin in großem Maßstab in allen schwer zu dekarbonisierenden Sektoren wie der Industrie und dem Flug-, Schwerlast- und Schiffsverkehr zum Einsatz kommen. Das wiederum wird den Bedarf nach Brennstoffzellen vor allem in den beiden letztgenannten Bereichen massiv antreiben.