Damit wurde nun der dritte Verfahrensschritt erfolgreich getan – nach dem ersten Dialogforum zum Auftakt und dem konzeptionellen Schaffen in fünf Arbeitskreisen. In den nächsten Tagen wird die 54-seitige Bewerbung bei der Regierung von Schwaben eingereicht, wo es dann an der Konferenz der Schulaufsicht ist, die Konzeption zu prüfen und zu bewerten. Dabei werden auch Stellungnahmen des Bayerischen Landesjugendamts und des Bayerischen Jugendrings berücksichtigt.
Sechs Wochen Zeit bedingte sich der Vorsitzende der Konferenz der Schulaufsicht, Leitender Oberstudiendirektor Hubert Lepperdinger, für die Prüfung und Bewertung aus. Wenn also weiter alles glatt läuft, könnte der Landkreis Neu-Ulm dann als erster Bewerber überhaupt das Prädikat „Bildungsregion in Bayern“ erhalten. Das jedenfalls stellte Ministerialrat Bernhard Butz, im Kultusministerium zuständig für die Initiative „Bildungsregionen in Bayern“, in Aussicht.
„Sie sind in der Pole-Position“, sagte er beim zweiten Dialogforum im Großen Sitzungssaal des Landratsamtes. So weit wie der Landkreis Neu-Ulm sei niemand anderer unter den rund 40 von insgesamt 96 bayerischen Landkreisen und kreisfreien Städten, die sich das Zertifikat „Bildungsregion in Bayern“ verdienen wollen.
Dies ist eine Folge des proaktiven Handelns von Landrat Erich Josef Geßner. Er war es, der seinerzeit eine Anregung der beiden Lehrerinnen Beate Altmann und Silvia Wawra aufgriff und Nägel mit Köpfen machte: Er stellte Raphael Bögge als Kreisentwicklungsbeauftragten ein, wobei er ihn dezidiert darauf verpflichtete, den Landkreis zur Bildungsregion zu machen. Geßner wies darauf in seiner Einführungsrede zum zweiten Dialogforum hin, indem er sagte: „Wir waren bereits gut zwei Jahre unterwegs, als Kultusminister Dr. Ludwig Spaenle im Frühjahr dieses Jahres den Startschuss für seine Initiative ‚Bildungsregionen in Bayern’ gab.“ Dieser Vorsprung solle sich nun auch auszahlen, nämlich in der Weise, dass der Landkreis als Erster in Bayern das offizielle Gütesiegel „Bildungsregion“ erhält, so Geßner.
Er nannte einige konkrete Projekte, die bereits am Laufen sind. Zum Beispiel wurde ein kreiseinheitliches Übergangsmanagement zwischen Kindergärten und Grundschulen eingeführt. Rund 1500 Mittelschüler erhielten bislang den Bewerbungsprofi(l)-Ordner, der ihnen hilft, Bewerbungsunterlagen zu sammeln und zu sortieren. Unter dem Motto „Jedem Kind seine Stimme“ gibt der professionelle Musiker, Dirigent und Komponist, Markus Romes, an bislang drei Grundschulen im Landkreis zusätzlichen Musikunterricht. Das „Haus der kleinen Forscher“ leitet Kindergartenkinder an, auf spielerische Art und Weise zu experimentieren. Das gleiche Ziel – nämlich Kinder für Naturwissenschaft und Technik zu begeistern – verfolgt der Wettbewerb „Technik und ich“, der mit Beginn dieses Schuljahres an den Mittelschulen im Landkreis angelaufen ist. Nach aufwändiger Vorarbeit fiel vor kurzem an der Dualen Hochschule Heidenheim der Startschuss für den bundesweit einmaligen Studiengang „Interprofessionalität in der Pflege“.
Die entsprechenden Programme sollen in der Zukunft intensiviert und auf weitere Schularten ausgedehnt werden. So steht es in dem Bewerbungsexposé, das Raphael Bögge mit Unterstützung seiner Kollegen Kristina Langer und Wolfgang Opitz erstellt hat. Beim zweiten Dialogforum stellte der zentrale Ansprechpartner der Bildungsregion Landkreis Neu-Ulm außerdem zahlreiche neue Projekte vor, die in den nächsten Jahren verwirklicht werden sollen. Nachfolgend werden einige exemplarisch angeführt.
So soll etwa ein regionaler Hochschulführer mit den Studienangeboten in der Region entwickelt werden. In einer regionalen Bildungskonferenz sollen Delegierte der verschiedenen Schularten, der Hochschule Neu-Ulm, von weiteren Bildungsanbietern, der Behörden, der Arbeitsagentur und der Wirtschaft sich regelmäßig austauschen, neue Ideen entwickeln und beschlossene Projekte begleiten und beobachten. Bereits gegründet wurde die Kompetenzakademie Neu-Ulm. Der Verein, zu dessen Vorsitzendem Schulamtsdirektor Dr. Ansgar Batzner gewählt wurde, will künftig unter anderem Workshops, Fortbildungen und Einzeltrainings für Schulklassen anbieten und zu Informationsveranstaltungen über Erziehungsthemen und Familienbildung einladen.
Die Kooperation von Schule und Wirtschaft soll verbessert werden. Vorgesehen sind beispielsweise gegenseitige Praktika und Besuche. Zudem soll der Bewerbungsprofi(l)-Ordner im Bewerbungsverfahren stärker berücksichtigt werden. Nach dem Vorbild der Ferienakademie Kunst des Nikolaus-Kopernikus-Gymnasiums, die jährlich in den Osterferien im Bildungszentrum Roggenburg stattfindet, ist geplant, eine schulartübergreifende Ferienakademie Technik in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft aufzubauen und zu etablieren.
Zudem soll die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe verstärkt werden. Ziele sind eine verstärkte Information zu Bildungs- und Hilfsangeboten (zum Beispiel: Bildungs- und Teilhabepaket), die Verankerung von Jugendsozialarbeit im Schulalltag und eine interkulturelle Pädagogik, um die gegenseitige Akzeptanz von Deutschen und Migranten zu fördern.
Eng eingebunden in die Arbeit der Bildungsregion ist schon bisher die Freiwilligenagentur des Landkreises, „Hand in Hand“. Als zusätzliche Projekte zu den (Vor-)Lesepaten und der Jugendengagementförderung sollen künftig Schüler Senioren die Arbeit mit und am Computer beibringen (IT-Fortbildungen) und ältere Schüler als Sportmentoren, Lerntutoren oder Medienscouts ihre Kompetenz für jüngere Mitschüler einsetzen.
Diese und weitere Vorhaben erarbeiteten die fünf Arbeitskreise, die beim ersten Dialogforum Bildungsregion Landkreis Neu-Ulm am 12. Juli dieses Jahres aus der Taufe gehoben worden waren. Jeder Arbeitskreis tagte seither zweimal. Landrat Erich Josef Geßner dankte Raphael Bögge wie auch den Arbeitskreisleitern Beate Altmann und Silvia Wawra (beide Grundschulrektorinnen), Brigitte Schilling (Sparkasse Neu-Ulm – Illertissen), Reinhold Kwiedor (Kreisjugendpfleger) und Erwin Schlecker (fachlicher Leiter des Staatlichen Schulamts im Landkreis Neu-Ulm) sowie allen, die in einem der Arbeitskreise mitgewirkt oder auf andere Art und Weise die Bildungsregion Landkreis Neu-Ulm unterstützt haben.
Mit seinem Dank verband er die Zusicherung, dass der Landkreis Neu-Ulm unter seiner Führung die Bildungsregion weiter inhaltlich vorantreiben werde. Das, so betonte Landrat Geßner, „ist unser Anspruch und unsere Verpflichtung gegenüber den Kindern, Jugendlichen und auch Erwachsenen in unserem Landkreis.“