Mit einer neuen Ehrensenatorin und Preisen für hervorragende Leistungen in Forschung, Lehre und Gleichstellung hat die Universität Ulm am Freitagnachmittag ihren Dies academicus gefeiert. In seiner Begrüßung blickte Universitätspräsident Professor Michael Weber auf die Entwicklung der Universität in den vergangenen Monaten zurück – und hatte einen Rekord zu vermelden.
Uni-Präsident Professor Michael Weber eröffnete den Dies academicus mit einer neuen Rekordmarke: 2019 haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Ulmer Universität Drittmittel in Höhe von rund 110 Millionen Euro erhalten. Zu den größten Erfolgen der vergangenen Monate zählt die erneute Einwerbung eines mit 9,4 Millionen Euro dotierten ERC Synergy Grants: Mithilfe der Quantentechnologie wollen die Ulmer Professoren Fedor Jelezko, Martin Plenio und Professor Jan Hendrik Ardenkjaer-Larsen (Technische Universität Dänemark) Kernspinanwendungen revolutionieren – vom MRT-Scanner bis zum hochsensiblen Sensor. Dazu kommen unter anderem zwei ERC Consolidator Grants über jeweils fast zwei Millionen Euro für die Professorinnen Iris-Tatjana Kolassa (Psychologie) und Lena Wilfert (Biologie).
„Die Universitäten waren schon immer auf Drittmittelförderung angewiesen, um intensiv Forschung betreiben zu können. Diese Drittmittelförderung ist allerdings zweckgebunden und damit auf eine verlässliche Grundfinanzierung angewiesen – etwa für Gebäude und unterstützendes Personal“, erläuterte Professor Michael Weber. Doch leider könne die Grundfinanzierung durch das Land weder mit den zunehmenden Drittmitteleinwerbungen noch mit dem geleisteten Ausbau der Studienplätze mithalten. Diese bedrohliche Entwicklung haben auch Studierende und weitere Uni-Mitglieder erkannt: Bei Demonstrationen im Herbst 2019 forderten sie vom Land, die andauernde Unterfinanzierung der Universitäten im Zuge des Hochschulfinanzierungsvertrags II zu beenden. „Die Hochschulen Baden-Württembergs stehen vor großen Herausforderungen, so konkurrenzfähig zu bleiben, wie sie es sind – international und mit Blick nach Bayern auch national“, so Präsident Weber.
Noch braucht die Universität den internationalen Vergleich trotz Finanzierungslücken nicht zu scheuen. Dies belegen bemerkenswerte Platzierungen in Hochschulrankings, und auch in der Publikationsanalyse der Web of Science Group „Highly Cited Researchers“ finden sich gleich acht Ulmer Forschende unter den weltweit meistzitierten Köpfen ihres jeweiligen Fachgebiets.
Weiterhin stellte Präsident Weber in seiner Begrüßung das neue Leitbild Lehre vor, das anlässlich des 50. Jubiläums des Lehrbetriebs an der Universität Ulm entwickelt wurde,
und er gab einen Ausblick auf die kommenden Monate. Die Etablierung des Ulmer Instituts für Quantentechnologie in Raumfahrtanwendungen (DLR-QT) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) schreitet voran: In enger Zusammenarbeit mit der Universität sollen in diesem Institut quantenbasierte Präzisionsinstrumente für die Navigation oder etwa Wetterbeobachtung im Weltall entwickelt werden. Zudem sei ein gemeinsames Transferzentrum mit der Technischen Hochschule Ulm zum Themenkomplex Digitalisierung, Analytics und Data Science (DASU) geplant.
Ehrensenatorenwürde für Dr. h.c. mult. Annette Schavan
Eine der höchsten Auszeichnungen der Universität Ulm erhielt beim Dies academicus die ehemalige Bundesforschungsministerin und vormalige Botschafterin beim Heiligen Stuhl, Dr. h.c. mult. Annette Schavan. Für ihre Verdienste um die Weiterentwicklung sowie Profilbildung der Ulmer Universität und Wissenschaftsstadt wurde Schavan die Würde einer Ehrensenatorin verliehen. In seiner Laudatio erinnerte der ehemalige Ulmer Universitätspräsident, Professor Karl Joachim Ebeling, an wegweisende Reformvorhaben in Schavans Zeit als Bundesministerin – von der High-Tech-Strategie über die Exzellenzinitiative bis zur Gründung der Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Im Zuge dieser Initiative und basierend auf der herausragenden Expertise Ulmer Forschender wird derzeit ein Standort des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) an der Universität Ulm eingerichtet. In Schavans Amtszeit als Bundesministerien fällt zudem die Gründung des Helmholtz-Instituts Ulm (HIU): Diese mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und weiteren Partnern betriebene Forschungseinrichtung schreibt die Erfolgsgeschichte der Ulmer Elektrochemie fort und ist Keimzelle des deutschlandweit einzigen Exzellenzclusters zur Batterieforschung. Weiterhin machte sich Annette Schavan in ihrem damaligen Bundestagswahlkreis Ulm für die Batterie-Pilotproduktionsanlage am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) stark, sie unterstützte den Ausbau der universitären Traumaforschung und befürwortete die Sanierung des Wissenschaftszentrums Schloss Reisensburg. „Wir Ulmer freuen uns, dass wir mit Ihrer Unterstützung Großartiges und Wichtiges für die Ulmer Universität und die Wissenschaftsstadt schaffen und auf den Weg bringen konnten“, betonte Professor Ebeling.
Annette Schavan bedankte sich für die große Ehre, der Universität Ulm nun als Ehrensenatorin verbunden zu sein. In ihrem Impulsvortrag „Eine Stadt und die Wissenschaft“ hob Schavan hervor, dass die Universität Ulm und das Universitätsklinikum nicht nur eine Quelle für den heutigen und künftigen Wohlstand in Stadt und Region sind. Auch die Bürgergesellschaft profitiere, denn sie „erlebe in der Universität und in ihrer Wissenschaftsstadt gleichsam einen Prototypen für die Kreativität und den wissenschaftlichen Fortschritt“, so die Geehrte. Universität und Wissenschaft hätten zudem als Labor für kulturelle Diversität eine Vorbildfunktion für die Stadt. Doch sie müssten alles daran setzen, dass im vermeintlichen Kampf um politische Korrektheit die Meinungs- und Debattenfreiheit nicht beschädigt werden. „Eine Stadtgesellschaft braucht das, kann davon lernen, dass intellektuelle Verengungsgeschichten nicht gut sind“, meinte die ehemalige Bundesforschungsministerin. Die Mitglieder der Universität forderte sie auf, sich in der kommunalen Politik zu engagieren. Sie hingegen sei „nun lebenslang mit dieser Universität verbunden und aufgefordert, an ihrem Wohl und Wehe Anteil zu nehmen“, sagte Annette Schavan.
Preise beim Dies academicus 2020
Zudem wurden beim Dies academicus sechs Preise für besondere Leistungen in Forschung, Lehre, Gleichstellung und weiteren Bereichen der Universität vergeben.
• Für ihre erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Robert Bosch GmbH sind die Professorinnen Susanne Biundo-Stephan und Birte Glimm sowie Professor Wolfgang Minker mit dem Kooperationspreis Wissenschaft-Wirtschaft über 8000 Euro ausgezeichnet worden. Gemeinsam mit dem Industriepartner haben sie den digitalen Assistenten ROBERT entwickelt, der Hobby-Handwerker schrittweise bei ihren Projekten anleitet. Dabei passt ROBERT seine multimodalen Anleitungen den individuellen Fähigkeiten und Wünschen des Nutzers sowie den vorhandenen Werkzeugen an. Beim ebenfalls mit dem Kooperationspreis ausgezeichneten Projektpartner Bosch entsteht aus dieser Forschungsarbeit eine App zur Unterstützung von Heimwerkern.
• Ebenfalls mit 8000 Euro dotiert ist der Franziska-Kolb-Preis zur Förderung der Leukämieforschung. Beim Dies academicus wurde Dr. Dr. Jonas Jutzi für seine Forschung zur Entstehung der bösartigen Knochenmarkserkrankung Myeloproliferative Neoplasien (MPN) und der verwandten Akuten Myeloischen Leukämie (AML) ausgezeichnet. In der Fachzeitschrift „Blood“ hat Jutzi bisher unbekannte Mutationen bei MPN- und AML-Patienten beschrieben. Dass diese Veränderungen krankheitsauslösend sein können, zeigte der Forscher vom Universitätsklinikum Freiburg im Tiermodell. „Die Ergebnisse seiner Forschungsarbeiten sind ein wichtiger Beitrag zur weiteren Entschlüsselung der Pathogenese der AML sowie zur Charakterisierung von neuen therapeutischen Targets bei dieser Leukämieform“, betonte der Laudator Professor Hartmut Döhner, Ärztlicher Direktor der Ulmer Universitätsklinik für Innere Medizin III
• Das neue Lehrangebot „Founder’s Garage“ soll hingegen den studentischen Gründergeist fördern. In interdisziplinären Teams arbeiten Studierende der Universität Ulm, der Technischen Hochschule Ulm (THU) und der Hochschule Biberach an eigenen Ideen für eine Unternehmensgründung oder ein Geschäftsmodell. Dabei werden sie von Paten aus Universität und Wirtschaft unterstützt. Networking-Angebote wie der Gründertag und die Start-up-Night ergänzen das Projektseminar. Für dieses Lehrangebot im Zuge des hochschulübergreifenden Projekts Accelerate! SÜD haben die Initiatoren um Dr. Andrea Wirmer, Dana Schultchen und Benedikt Bill den Lehrpreis der Universität Ulm und 4000 Euro erhalten.
• In diesem Jahr hat die Universität Ulm wieder zwei Mileva Einstein-Marić-Preise (à 2500 Euro) an Wissenschaftlerinnen vergeben, die ihre akademische Karriere vorbildlich mit den Familienpflichten verbinden. Ausgezeichnet wurde die Chemikerin Dr. Stefanie Tschierlei: Die Mutter einer kleinen Tochter forscht zur Umwandlung (solarer) Energie und leitet eine Arbeitsgruppe am Institut für Anorganische Chemie I. Sie konnte drei eigenständige Projekte der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Baden-Württemberg Stiftung einwerben und wird zeitnah ihre Habilitation abschließen. Neben Forschung (unter anderem im SFB CataLight und im SPP 2102) und Lehre engagiert sich Stefanie Tschierlei im Senat für die Belange des wissenschaftlichen Mittelbaus.
Die zweite Preisträgerin ist Dr. Sabine Vettorazzi vom Institut für Molekulare Endokrinologie der Tiere. Die Mutter eines Sohnes ist Projektleiterin im Trauma-Sonderforschungsbereich sowie im Graduiertenkolleg PULMOSENS. Die drittmittelstarke und mehrfach ausgezeichnete Biologin hat Grundlagen für eine nebenwirkungsarme Cortisol-Therapie geschaffen, die Entzündungseffekte hemmt. Nun strebt Vettorazzi die Habilitation an. Neben ihrer Forschung engagiert sie sich in der Lehre und im Fakultätsrat.
• Zuletzt wurde die Hochschulgruppe Nachhaltigkeit mit dem Ulmer Universitätssonderpreis für herausragendes studentisches Engagement (500 Euro) ausgezeichnet. Neben ihrem Studium haben die Mitglieder um Sophia Schwender und Dominik Winklmaier Veranstaltungen wie die Kinoreihe watch.think.act, das Kleiderkarussell im Uni-Forum, eine nachhaltige Stadtführung oder etwa den runden Tisch der Nachhaltigkeit organisiert. Wie gesellschaftlich bedeutend das ehrenamtliche Engagement der Studierenden ist, hob Uni-Vizepräsidentin Professorin Olga Pollatos in ihrer Laudatio hervor.
Wie üblich begleitete ein Ensemble des Universitätsorchesters den Dies academicus musikalisch.