24 Türchen gehen bis Heiligabend auf

29. November 2012

„Wie oft müssen wir noch schlafen gehen, bis das Christkind kommt?“ So fragen Kinder seit über 150 Jahren gespannt. Um 1850 entwickelte sich Weihnachten neben dem kirchlichen Hochamt auch zu einem bürgerlichen Fest in der Familie  – mit der Bescherung unter dem Christbaum als Höhepunkt. Die Mädchen und Buben sehnten den Tag, an dem das Christkind die Geschenke bringt, herbei und zählten die Tage bis dahin. Die Zeit war reif für eine zur Geduld erziehende Zählhilfe, der Adventskalender war geboren.

Die traditionelle Ausstellung zur Weihnachtszeit im Museum für bildende Kunst in Oberfahlheim zeichnet die Entwicklung des Adventskalenders nach: von einfachen, selbst gebastelten Formen um 1850 über aufwändig hergestellte Ausgaben der ersten Jahrzehnte bis zu den vielen Varianten seit dem Zweiten Weltkrieg. Unter dem Titel „Warten aufs Christkind – Adventskalender aus 100 Jahren“ sind vom 1. Dezember bis 3. Februar circa 60 Adventskalender als Dokumente ihrer Zeit zu sehen.

Zunächst bastelten Mütter und Väter ihren ungeduldigen Kindern selbst Adventskalender: Sie steckten 24 Kerzen auf einen großen Kranz, hängten 24 Fähnchen an einen Bäumchen oder malten – in der einfachsten Form – 24 Kreidestriche an die Zimmertüre. Anfang des 20. Jahrhunderts witterten Verlage dann ein Geschäft und griffen die Idee eines Zeitmessers für die Adventstage auf. 1902 kam in Hamburg eine Adventsuhr heraus, 1904 in Stuttgart ein Ausschneidekalender. Ab 1908 entstanden im Münchner Verlag Reichhold und Lang höchst einfallsreiche und von Künstlerhand geschaffene „Weihnachtskalender“. 1940, als Gerhard Lang seinen Verlag aus wirtschaftlichen Gründen schließen musste, hatten schon viele andere Hersteller – in Deutschland, Österreich und auch Skandinavien – seine Ideen aufgegriffen.

Während des Zweiten Weltkrieges bedienten sich die Nationalsozialisten des so genannten „Vorweihnachtskalenders“ als Propagandainstrument für die Kinderzimmer. Hinter den Türchen steckten ideologisierte Lieder, Sprüche, Geschichten und Bilder.

Gleich nach Kriegsende, 1945, wurden wieder Adventskalender gedruckt: im Westen Deutschlands genauso wie im Osten. Profane Motive – allen voran verschneite Häuser in abendlicher Stimmung – überwiegen bis heute, aber auch religiöse Aufmachungen finden sich nach wie vor im Angebot.

Über hundert Jahre nach den frühesten gedruckten Fassungen sind Adventskalender beliebter denn je: Sie versüßen Kindern wie inzwischen auch Erwachsenen die Wartezeit bis zum Heiligen Abend. Selbst für Katzen und Hunde gibt es heute Leckerlis für jeden Tag im Advent.

Ein Exponat der Adventskalender-Ausstellung. Foto: Landkreis Neu-Ulm
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