„Flosse ab und trotzdem nicht arm dran“

27. March 2014

Man stelle sich das einmal vor: Ein Mensch verliert durch einen Unfall einen Arm, und nach ein paar Wochen ist dieser von sich aus komplett nachgewachsen. Was etwas gruselig und nach Science-Fiction klingt, ist für den Zebrafisch in Bezug auf seine Flossen eine Selbstverständlichkeit. „Der drei bis vier Zentimeter kleine Fisch, der im Deutschen eigentlich Zebrabärbling heißt, hat eine Eigenheit, um die ihn wohl nicht nur die Unfall-Chirurgie beneidet. Er kann verletzte oder teilamputierte Flossen komplett regenerieren“, erklärt Professor Gilbert Weidinger. Der Biologe vom Institut für Biochemie und Molekulare Biologie der Universität Ulm hat nun mit Kollegen einen neuen zentralen Steuerungsmechanismus für die Regeneration von Zebrafischflossen aufgedeckt.

Perfekte Modellorganismen
„Zebrafische sind perfekte Modellorganismen für die Regenerationsforschung. Neben Flossen können sie sogar Herz und Gehirn nach Beschädigung in größerem Umfang wieder herstellen“, so der Wissenschaftliche Mitarbeiter Dr. Daniel Wehner. Die Schwanzflossen eignen sich dabei besonders, um die Regeneration von Gewebe zu studieren. „Sie bestehen aus Knochen, Haut und Nerven, aus Blutgefäßen und anderen Zelltypen, die alle sehr rasch und perfekt miteinander koordiniert regenerieren. Egal wieviel von einer Flosse fehlt, sie wächst immer exakt auf die richtige Größe nach“, erläutert Wehner. Die Ulmer Forscher haben nun herausgefunden, wie die Zellvermehrung und Knochenbildung bei der Flossenneubildung koordiniert wird.

„Für eine kontrollierte Geweberegeneration müssen grundlegende Prozesse wie die Vermehrung und Reifung von Zellen sowie die strukturgebende Gewebebildung präzise gesteuert werden. Das bedarf einer gut abgestimmten Koordination und zentralen Steuerung“, so Weidinger. Hier kommt nun ein bestimmter Signalübertragungsweg ins Spiel, mit dem Zellen miteinander kommunizieren: der Wnt-Signalweg. Die Ulmer Forscher konnten zeigen, dass Wnt-Signale als Masterregulatoren bei der Flossenregeneration agieren: sie kontrollieren viele andere Signalwege, die die Zellvermehrung und -reifung steuern. Dies geschieht, wie die Wissenschaftler herausgefunden haben, nach ersten Wundheilungsprozessen über die Einrichtung von „Kontrollzentren“ im Keimgewebe. Blastem nennt man diese Organanlage aus teilungsfreudigen, undifferenzierten Vorläuferzellen, aus dem später das neue Organ, in diesem Fall die Flosse, hervorgeht. „Doch damit sich aus dem Blastem ein reguläres Organ entwickelt, muss die Zellvermehrung, Ausdifferenzierung und Gewebebildung haargenau orchestriert werden“, ergänzt Wehner, der zu diesem Projekt promoviert hat.

Dr. Daniel Wehner und Prof. Dr. Gilbert Weidinger
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