Mit Drohnen Leben retten

1. September 2015

Sonntags, wenn die Studenten in den Betten liegen und die Flure der Hochschule Ulm leer sind, experimentiert er. Mit der Fernbedienung in der Hand steht Prof. Frank Steiper dann da, und wenn doch mal was schiefgehen sollte, dann wird zumindest niemand verletzt von dem fliegenden Roboter, den er durch die Gänge steuert. "Mit GPS kann’s ja jeder", sagt Steiper, der den Multicopter entwickelt hat. Drohnen, die draußen fliegen, können auf die satellitengestützte Navigation zurückgreifen – doch die funktioniert in Innenräumen nicht. Steipers selbstgestellte Aufgabe: ein kamerabasiertes Indoor-Navigationssystem entwickeln, damit die kleinen Fluggeräte autonom agieren können.

Dazu müssen sie ihr eigenes Kartenmaterial erstellen – noch während sie zum ersten Mal in einen unbekannten Raum fliegen. Aber dazu später mehr. Die möglichen Anwendungsgebiete sind zahlreich: Derart ausgestattete Flugroboter könnten zum Beispiel nach einem Erdbeben bei der Suche nach in Gebäuden eingeschlossenen Menschen helfen, wären aber auch in der Industrie einsetzbar. Beispielsweise in der Logistik: "Schon heute fahren Roboter durch Hallen, schauen, wo welche Werkstücke liegen und verschieben sie bei Bedarf an die richtige Stelle", erklärt Steiper. "Aber in den riesigen Hochregallagern kommen sie nicht an alles ran."

Größtes Problem in der Entwicklung ist der Sicherheitsaspekt: "Man kann die Dinger schlecht zur Hauptbetriebszeit fliegen lassen." Steipers aktuelles Modell hat inklusive Propellern einen Durchmesser von 1,20 Meter, wiegt mehr als fünf Kilogramm und hat gut 10.000 Euro an Material gekostet. Weil der Multicopter so schwer ist, darf er nicht draußen fliegen – das müsste Steiper sich jedes Mal von der Luftschutzbehörde genehmigen lassen. Und drinnen ist es bislang noch zu gefährlich. Damit der Flugroboter irgendwann wirklich einsatzfähig ist, muss er zum einen kleiner werden, damit bei einem Absturz nichts Schlimmes passieren kann, erklärt Steiper. Zum anderen muss das Kollisionserkennungssystem verbessert werden, damit die Drohne nicht nur große Schränke, sondern auch herunter hängende Kabel erkennt. "Bis Multicopter in Innenräumen wirklich autonom fliegen können, wird es aber sicher noch einige Jahre dauern."

Bis es soweit ist, steht Steiper noch an der Fernsteuerung. Oder fährt den Multicopter ganz einfach durch die Gegend – das reicht, um die Logik des Navigationssystems zu testen. Und das funktioniert so: Damit der Flugroboter den ganzen Raum erfassen kann, sitzt obenauf ein Laserscanner. Wichtiger aber sind die sogenannten RGB-D-Kameras, wie sie auch für die Spielekonsole X-Box eingesetzt werden. Sie erkennen nicht nur Farben, sondern auch Distanzen. Daraus lassen sich 3D-Tiefenbilder extrahieren. Der Multicopter positioniert sich dann relativ zu diesen extrahierten Ebenen. Oder einfacher gesagt: "Je länger er fliegt, desto präziser wird es." Ist das 3D-Modell des Raumes erst einmal berechnet, kann die Drohne selbstständig steuern. "Sie muss aber auch entscheidungsfähig sein, um ausweichen zu können."

Begonnen hat Steiper mit seinem Projekt schon vor eineinhalb Jahren währen eines Forschungssemesters an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo er sich mit den algorithmischen Fragestellungen befasst hat. "Die Mathematik war schon mal das erste Problem", sagt er, "danach war es nur noch eine Frage der Technik." Inzwischen gibt es eine Studentengruppe an der Hochschule, die verschiedene Projekte bearbeitet. So soll es bald ein neues Design geben, denn die aktuelle Version passt durch keine Tür, so groß ist es. "Langsam ist es aber soweit, dass man es tatsächlich nutzen kann." Ein Industriepartner zur Umsetzung konkreter Projekte ist schon in Aussicht.

Es gibt denn auch mehrere Stellen, die kommerziell an Indoor-Multicoptern forschen. Wichtiger Aspekt für Steiper: billig und ohne Spezialsoftware bauen. "Mit viel Geld kann ich auch viel bauen – aber leider nur einmal."

Mit Drohnen Leben retten

Fast alltäglich geworden sind Drohnen, die draußen rumfliegen. An Indoor-Multicoptern wird hingegen noch geforscht – auch an der Hochschule Ulm. Mögliche Einsatzgebiete: Industrie und Katastrophenschutz

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Noch steht Prof. Frank Steiper an der Fernsteuerung seines Multicopters. Eines Tages soll die Drohne dank Indoor-Navigationssystem vollkommen autonom fliegen und Hindernissen ausweichen. (Text und Foto: Südwest Presse Ulm)
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