Familienstreit, Beziehungswirren, brisante politische Konflikte – es sind keine rein historischen, sondern zeitlose, auch aktuelle Themen, die im Mittelpunkt der zweiten Israelischen Kulturwoche am Theater Ulm stehen. Historisch kann man freilich den Anlass nennen: Vor sieben Jahren hatte Volkmar Clauß zum 60. Geburtstag des Staates Israel eine erste Israelische Kulturwoche am Theater Ulm organisiert, nun sind die 50 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel der Anlass für die Neuauflage.
Den Auftakt macht am Freitag im Podium die Premiere von Oren Yaacobis „Die gläserne Wand“. Das Stück erzählt von drei Generationen einer jüdischen Familie: Der Großvater, ein Holocaustüberlebender, wollte seine Asche in einem Konzentrationslager nahe Berlin beigesetzt haben, die Mutter hegt eine starke Abneigung gegen alles Deutsche, möchte ihrem verstorbenem Vater diesen letzten Wunsch aber erfüllen; die Tochter lebt als Balletttänzerin just in Berlin, was zum Bruch mit der Mutter geführt hat – nun treffen die beiden an der Gedenkstätte wieder aufeinander.
„Die Perspektive auf Holocaust und Vergangenheitsbewältigung verändert sich auch in Israel von Generation zu Generation sehr“, sagt Volkmar Clauß. Autor Yaacobi, Jahrgang 1974, verarbeite in seinem hervorragend geschriebenen Stück auch seine Familiengeschichte. Oliver Haffner, der nicht nur am Theater geschätzt wird, sondern auch den Kinofilm „Ein Geschenk der Götter“ in Ulm gedreht hat, inszeniert „Die gläserne Wand“. In der Kulturwoche wird das Stück zweimal gespielt, es bleibt danach aber im Podium-Repertoire.
Nur einmal wird Avishai Milsteins „Love Hurts“ zu sehen sein (3. Oktober), eine Koproduktion des Badischen Staatstheaters Karlsruhe mit dem Teatron Bei Lessin Tel Aviv. Wie kompliziert sind die deutschisraelischen Dinge, wenn auch noch Liebe ins Spiel kommt? Schauspieler aus beiden Ländern verhandeln Beziehungsprobleme, die sich aus Problemen mit der Geschichte ergeben: „Ein sanfte, intelligente Form von Recherche- und Dokumentartheater“, sagt Clauß.
Das Arab-Hebrew Theatre Yaffo ist ein kleines Off-Theater, das in einem alten Gemäuer spielt; auch dieses Ensemble kommt nach Ulm. Alma Ganihars Stück „Der Pfau von Silwan (4./.5. Oktober) spielt im konfliktträchtigen Ost-Jerusalemer Stadtteil Silwan: Ausgrabungen führen zum Streit zwischen dort wohnenden arabischen Familien und jüdischen Archäologen und Siedlern – beide Seiten erheben Anspruch auf ein altes Gebäude. Das auf Festivals prämierte Stück mit vier jüdischen und drei arabischen Akteuren „verarbeitet einen politisch sehr aktuellen Konflikt“, erläutert Clauß. Es sei tragisch, aber ebenso unterhaltsam.
Die Kulturwoche verspricht somit reichlich Stoff auch für Publikumsgespräche – alle drei Autoren werden in Ulm erwartet. (Text: Magdi Aboul-Kheir/Südwest Presse)
Weitere Informationen und Programm
Kulturwoche Israel: Drei spannende, moderne Stücke am Theater Ulm
Am Freitag beginnt die zweite Israelische Kulturwoche am Theater Ulm. Eine Eigenproduktion und zwei Gastspiele: Das Programm verspricht Stoff zum Nachdenken, aber auch anregende Unterhaltung.