Uni-Biologen wollen das Wildbienensterben stoppen

1. August 2017

Wer an Bienen denkt, denkt vermutlich zuerst einmal an das morgendliche Honigbrot, vielleicht auch an Bestäubung oder Landwirtschaft, seltener aber an Hummeln. Dabei sind die pummeligen Insekten die wohl bekannteste Art der Wildbienen. Sie liefern zwar keinen Honig wie ihre kommerziell gezüchteten Verwandten, dafür vollbringen sie eine enorme Bestäuberleistung: Manche Wildbienenarten bestäuben bis zu 5000 Blüten pro Tag.
Schätzungsweise 30.000 Arten schwirren weltweit umher, rund 550 davon in Deutschland. Aber: So unbemerkt wie sie leben, so unbemerkt sterben sie auch. Viele Wildbienenarten werden mittlerweile ganz oben in der Liste der Todeskandidaten gehandelt, der roten Liste der bedrohten Tierarten in Deutschland. Durch großflächige Monokulturen in ausgeräumten Landschaften, durch die Befestigung und Asphaltierung von Waldwegen und Böschungen und nicht zuletzt durch den Einsatz von Pestiziden wird den Wildbienen ihr Lebensraum verödet, entzogen, vergiftet.
Grundlage für Nahrungsmittel
Das könnte schwere Konsequenzen für die Nahrungsmittelsicherheit haben, so der „Weltrat für Biologische Vielfalt“ in einer ersten weltweiten Bestandsaufnahme. Immerhin seien die bestäubenden Tiere die Grundlage für Nahrungsmittel im Wert von bis zu 523 Milliarden Euro pro Jahr.
„Wir sind von unserer Nahrungsmittelproduktion her auf Bestäuber angewiesen“, sagt auch Prof. Manfred Ayasse und zitiert Albert Einstein, der 1949 sagte: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen, keine Tiere,  kein Mensch mehr.”
Fördermittel in Millionenhöhe lassen die Bedeutung des Verbundprojekts erahnen, an dem der Ulmer Biologe forscht. Innerhalb von sechs Jahren wollen die Wissenschaftler um Ayasse
60 Wildbienenweiden inklusive Nistgelegenheiten an 20 Standorten in sieben Bundesländern anlegen, idealtypische einheimische Saatgutmischungen entwickeln und eine Wildbienen-App entwerfen, die es ermöglicht, Wildbienenarten auch für den Laien unkompliziert bestimmbar zu machen.
Das Projekt „Standardisierte Erfassung von Wildbienen zur Evaluierung des Bestäuberpotenzials in der Agrarlandschaft“ (BienABest), das im Bundesprogramm Biologische Vielfalt durch das Bundesamt für Naturschutz gefördert und vom Bundesumweltministerium finanziert wird, erhofft sich durch die Feldstudie auch mehr Biodiversität, Rückschlüsse auf Ursachen des Bienensterbens – und dabei am Ende doch wieder Vorteile für die Landwirtschaft.
„Eine wichtige Studie hat festgestellt, dass der Fruchtansatz bei vielen Kulturpflanzen weltweit größer ist, wenn neben der Honigbiene auch Wildbienen bestäuben“, sagt Ayasse. Denn während sich einige Pflanzenarten auf riesigen, in Monokultur bewirtschafteten Feldern mittlerweile nur noch durch eine Vielzahl von speziell für diesen Einsatz gezüchteten Honigbienenvölkern bestäuben lassen und Hummeln per Expresspaket für eine reiche Tomaten- und Gurkenernte in Gewächshäusern sorgen sollen, werden manche Wildbienenarten bereits als Bestäuber im Obstbau eingesetzt.
Die Bestäubungsleistung von solitär lebenden Mauerbienen etwa liegt bei Apfelblüten rund 80 mal höher als die der Honigbiene. Durch eine gemeinsame Bestäubung werde auch die Qualität von Früchten steigen, darin sind sich Wissenschaftler einig. So entwickelten etwa Erdbeeren nur ihre ansprechende Form, wenn ihre vielen kleinen Blüten von Insekten unterschiedlicher Größe bestäubt würden.
Öffentlichkeitsarbeit ist wichtig
„Ich weiß, dass es unbedingt notwendig ist und dass wir jetzt etwas tun müssen, um diese Gruppe der Bestäuber zu fördern, so dass es nicht dazu führt, dass die meisten Arten aussterben“, sagt Ayasse.
Deshalb baut das Projekt BeanABest auch stark auf Öffentlichkeitsarbeit: „Ziel wird es in einem weiteren Schritt sein, Wildbienensachverständige auszubilden, Workshops anzubieten auch für Menschen im öffentlichen Bereich, Kommunen, Behörden, Vereine. Am Schluss sollen sich mehr Leute auskennen mit der Bedeutung von Wildbienen und auch eine größere Begeisterung zeigen“, sagt Ayasse aus eigener Erfahrung. „Denn wenn man ‚Insekten‘ hört, denken einige erst mal an das Gestochen-werden. Viele Menschen wissen nicht, wie faszinierend die Tiere sind und wozu wir sie benötigen.“
(Text: SWP)

Bild: www.pixabay.com
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