Kriege, Klimawandel, Katastrophen – weltweit stapelt sich Krise auf Krise. Die Verunsicherung wächst und damit das Bedürfnis nach Sicherheit. Wie gehen wir als Gesellschaft damit um? Wie können wir als Individuum damit fertig werden? Die Ulmer Denkanstöße 2023 stehen ganz im Zeichen des vielschichtigen Spannungsverhältnisses zwischen Unsicherheit und Sicherheit. Vom 8. bis zum 11. März heißt es dann wieder: vier Tage voller Vorträge, Diskussionen und Kultur – sowohl im Stadthaus Ulm als auch online.
„Vieles ist heute im Umbruch, Gewissheiten gehen verloren, und der gesellschaftliche Zusammenhalt ist auf eine starke Belastungsprobe gestellt. Mit der aktuellen Auflage der Denkanstöße wollen wir Ankerpunkte setzen und Orientierung geben“, sagt Iris Mann, Ulmer Bürgermeisterin für Kultur, Bildung und Soziales, die zum Organisationsteam der Denkanstöße gehört. Gemeinsam mit dem Humboldt-Zentrum der Uni Ulm und der Stiftung Bildung und Soziales der Sparda-Bank Baden-Württemberg hat die Kulturabteilung der Stadt ein Programm auf die Beine gestellt, das einen Trend der letzten Jahre fortsetzt: Es ist jünger, weiblicher und bunter geworden. Nach dem Abschied der langjährigen HSZ-Geschäftsführerin und Mitbegründerin der Ulmer Denkanstöße, Professorin Renate Breuninger, die im letzten Jahr in Ruhestand gegangen ist, hat nun die neue Philosophie-Professorin Rebekka Hufendiek die Nachfolge in beiden Funktionen angetreten.
Den Eröffnungsvortrag am Donnerstag, 9. März, hält Wolfgang Bauer (Beginn: 19:30 Uhr). Der Reporter der Chefredaktion der ZEIT, der zahlreiche Kriegs- und Krisengebiete bereist und Menschen auf der Flucht begleitet hat, erklärt „Warum wegsehen nicht mehr hilft“.
Die Diskussionsrunde am Freitag, 10. März, startet mit einem Impulsvortrag von Nicola Popovic (14:00 Uhr). Die Mitbegründerin der internationalen Consulting-Gesellschaft „Gender Associations“ sucht nach zivilgesellschaftlichen Auswegen aus Krisen in Afrika, Lateinamerika und dem Nahen Osten und konzentriert sich dabei auf die Rolle der Frauen. Nicht nur, weil diese unter den Krisen besonders leiden, sondern auch eine Schlüsselrolle spielen können bei deren Bewältigung. Die im Iran geborene Journalistin und Ärztin Gilda Sahebi widmet sich unter dem Motto „Unser Schwert ist die Liebe“ der feministischen Revolte im Iran und zeigt dabei auch das kreative Potential dieser Bewegung, die zum Aufstand der Jugend gegen das Mullah-Regime geworden ist. Der Spiegelredakteur Jonas Schaible spricht über „Demokratie im Feuer: Warum unsere Gesellschaften nicht für eine erhitzte Welt gemacht sind“. Seine These: Die Klimakrise wird weltweit zur Erosion und Destabilisierung von liberalen Demokratien führen.
Am späten Nachmittag (17:00 Uhr) geht es weiter mit einem Buchgespräch von Agota Lavoyer zum Thema Kindesmissbrauch und sexualisierte Gewalt. Wie gelingt es Eltern, Kinder davor zu schützen? Konkrete Hilfestellung gibt es dafür auch im anschließenden Workshop, zu dem sich interessierte Eltern anmelden können. Über die Situation von Kulturschaffenden aus und in der Ukraine spricht die Leiterin der Konzert-Agentur Open Music Project Iryna Frenkel (19:00 Uhr). Die Kulturmanagerin organisiert Theater-, Opern- und Konzertaufführungen. Zugeschaltet werden zudem die Kulturamtsleiterinnen aus Mariupol und Kherson.
Die Diskussionsrunde am Samstag, 11. März (14:00 Uhr), rückt nun die innergesellschaftliche und private Ebene in den Fokus. Der Kriminologe und Sicherheitsforscher Professor Tobias Singelnstein redet über „Sicherheit in unsicheren Zeiten“ und thematisiert dabei insbesondere das Spannungsverhältnis zwischen Sicherheit und Freiheit. Der Radikalisierungsforscher Holger Marcks widmet seinen Impulsvortrag den Gefahren im Netz. „Was macht die sozialen Medien so gefährlich?“, fragt der Sozialwissenschaftler und meint den digitalen Faschismus und die Destabilisierung von Demokratien durch Desinformation. Jürgen Bering, Jurist und Projektkoordinator der Gesellschaft für Freiheitsrechte, sucht im dritten Impulsvortrag neue Wege gegen Hass im Netz und setzt dabei auf Sperren für die Freiheit – für einen effektiven digitalen Gewaltschutz. Sicherheit im digitalen Raum ist auch das Thema des Abschlussvortrages der preisgekrönten Journalistin Eva Wolfangel (17:00 Uhr). Die Expertin für Cybersicherheit taucht ein in ein Thema, das mehr und mehr an Brisanz gewinnt: Hackerangriffe auf Unternehmen, Universitäten und Behörden. Dabei schildert sie die Sicht der Hacker, der Ermittler und der Betroffenen.
Das Kulturprogramm der 16. Ulmer Denkanstöße startet am Mittwoch, 8. März, im Xinedome mit dem Film „Holy Spider“ über eine iranische Journalistin, deren Recherche über Prostituiertenmorde zu einem packenden Thriller über Machtmissbrauch und Willkürherrschaft im Iran wird (Eintritt: 5 Euro). Am Freitag, 10. März, spielt das Lyatoshinsky Trio aus der Ukraine Stücke von Arvo Pärt, Felix Mendelssohn und Borys Lyatoshynsky.
Der Eintritt zu allen Vorträgen und zum Konzert ist frei, genauso wie der Live-Stream im Internet. Möglich macht dies die Stiftung Bildung und Soziales der Sparda-Bank Baden-Württemberg, die als Gründungsmitglied die Ulmer Denkanstöße seit mehr als 15 Jahren unterstützt. „Begegnung und Raum für Diskussion zu schaffen – diese Meinungsvielfalt ist ein klarer Mehrwehrt für unsere Gesellschaft und entspricht damit absolut dem Fördergedanken unserer Stiftung“, sagt Stiftungsrat Andreas Küchle. Wie schon in der Vergangenheit wird die Stiftung auch den auf den Veranstaltungen gesammelten Spendenbetrag verdoppeln. Die diesjährigen Spenden kommen dem Verein Menschlichkeit e.V. zugute, der Geflüchtete bei der Integration unterstützt.
Weitere Infos: www.ulmer-denkanstoesse.de