Gunter Czisch und Sebastian Rihm als Ulmer/Neu-Ulmer Vertreter beim Städtegipfel in Warschau: In einer viel beachteten Zusammenkunft des Paktes der freien Städte kamen in Warschau rund 20 Mitglieder zum persönlichen Austausch zusammen. Sichtlich bewegt waren alle von den Schilderungen, der aus der Ukraine eigens angereisten kommunalen Vertreter und Gäste. Unter Ihnen auch der Bürgermeister von Butcha, Anatolli Fedoruk, der eindrücklich schilderte, welches Elend die russische Invasion in seiner Stadt angerichtet hat, wie die Menschen mit den Geschehnissen umgehen und gleichwohl ihre Zukunft gestalten möchten.
Die Stadt Warschau hätte zum Auftakt des Jahrestreffens nicht lebhafter sein können. Inmitten der proeuropäischen Großdemonstration startete am Sonntagabend das 3. Jahrestreffen des Paktes der Freien Städte auf Einladung des Warschauer Oberbürgermeisters Rafał Trzaskowski. So konnten sich auch Oberbürgermeister Gunter Czisch und Sebastian Rihm, Direktor des Donaubüros, ein eigenes Bild der historischen Demonstration in Warschau machen, die wohl die größte Versammlung, seit mehr als 30 Jahren in Polen war. Bei strahlendem Sonnenschein waren nach Schätzungen bis zu einer halben Million Menschen nach Warschau gekommen und sind dem Aufruf des polnischen Oppositionsführers Donald Tusk gefolgt. Die friedliche Demonstration richtete sich insb. gegen die Einrichtung einer von der polnischen Regierung angestrebten Kommission mit weitreichenden Befugnissen – befürchtet wird u.a. ein willkürlicher Ausschluss von politischen Gegnern.
»Es war bemerkenswert zu sehen, wie aus der Mitte der Gesellschaft heraus über alle Gruppen und Altersklassen hinweg friedlich für europäische Werte und Rechtstaatlichkeit demonstriert wurde. Besonders auffällig waren die vielen Familien mit Kindern und die unzähligen polnischen und europäischen Flaggen, die geschwenkt wurden«, so Gunter Czisch zu seinen persönlichen Eindrücken.
Die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister möchten mit ihrem Treffen ein gemeinsames Signal setzen für die Bedeutung von starken und selbstbestimmten Städten. Die Städte sind Orte der gelebten Demokratie, in denen die immensen Herausforderungen unserer Zeit gelöst werden, hier werden konkrete Antworten gefunden und das Zusammenleben gestaltet.
Das Treffen des Paktes begann am Sonntagabend und wie bei den vorherigen Zusammenkünften, gab es viel Raum für die persönliche Begegnung und den vertraulichen Austausch. Auch dies unterstreicht den besonderen Charakter des Paktes, als ein von Personen getragenes Bündnis. Dabei war u.a. der Bürgermeister von Tirana, Erion Veliaj, der Bürgermeister von Rijeka, Marko Filipovic, der Bürgermeister von Mailand, Guiseppe Sala, die Bürgermeisterin von Gdańsk, Aleksandra Dulkiewicz und die Gründungsbürgermeister des Paktes: Gergely Karácsony aus Budapest, Matúš Vallo aus Bratislava sowie Gastgeber Rafał Trzaskowski aus Warschau. Erstmals mit dabei waren u.a. der neue regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner sowie der Bürgermeister von Prag, Bohuslav Svoboda. Digital zugeschaltet waren Vitali Klitschko, Bürgermeister von Kiew und Gennadiy Trukhanov, Bürgermeister von Odessa.
Solidarität mit der Ukraine
Eigens angereist aus der Ukraine waren der Bürgermeister von Butcha, Anatolli Fedoruk, der Bürgermeister von Lemberg, Andrij Sadowy, der stellvertretende Bürgermister von Kharkiv, Sergiy Kuzmin, der Bürgermeister von Konotop, Artem Semenikhin sowie der stellvertretende Bürgermeister von Mariupol, Sergei Orlov. Eindrücklich schilderten sie die Herausforderungen für ihre Städte im anhaltenden Kriegszustand, bedankten sich für die Solidarität und erörterten gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen weitere Möglichkeiten der konkreten Unterstützung und des Wiederaufbaus. Klar ist, dass man bereits jetzt – neben Soforthilfemaßnahmen – an konkreten Plänen und Konzepte für den Wiederaufbau arbeitet. Der Schulterschluss mit anderen europäischen Städten wird hierzu als immens wichtig gesehen. So hat die Stadt Warschau beispielsweise mit der Initiative »House of reconstruction of Ukraine« ein Projekt zur Unterstützung des Wiederaufbaus gestartet. Auch die Vertreter der Stadt Mariupol haben konkrete Projektideen zum Wiederaufbau in einem freien Mariupol eingebracht – ein weiterer Austausch hierzu wurde vereinbart.
Ebenso werden die Doppelstädte Ulm und Neu-Ulm eigene Anstrengungen unternehmen, um konkrete zivile Hilfe für eine notleidende Stadt in der Südwestukraine zu leisten. Dies dann im Wege einer sogenannten »Solidaritätspartnerschaft«, anknüpfend an den gemeinsamen Appell der Präsidenten Frank-Walter Steinmeier und Wolodymyr Selenskyj. Nähre Information und eine erste öffentliche Vorstellung der Hintergründe und konkreten Maßnahmen erfolgt in der gemeinsamen Sitzung des Gemeinderates Ulm und des Stadtrates Neu-Ulm am Freitag, 16.06.23, ab 15.00 Uhr, im Haus der Begegnung sowie vorab online in der entspr. Sitzungsvorlage.
Ferner haben Gunter Czisch und Sebastian Rihm das persönliche Zusammentreffen genutzt, um eine Aufnahme des Bürgermeisters von Temeswar, Dominic Samuel Fritz im Pakt der Freien Städte anzuregen, den sie zuvor im Rahmen einer Delegationsreise zu den Heimattagen der Deutschen im Banat getroffen hatten. Ein weiterführender Austausch dazu, zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen der Stadt Budapest wurde bereits vereinbart.
Am Dienstagmorgen erreichten die ersten Berichte über die verheerende Überschwemmungskatastrophe in der Ukraine auch die Teilnehmenden des Jahrestreffens. Die dramatische Eskalation dieser Flutkatastrophe hat alle zutiefst erschüttert. Diese tragischen Ereignisse werfen ein neues Licht auf die Bedeutung des Paktes und den Schulterschluss der freien Städte Europas. Ebenso haben die Demonstrationen am vergangenen Sonntag gezeigt, dass unsere gemeinsamen Werte und Überzeugungen in Zeiten der Krise von größter Bedeutung sind. Gemeinsam werden wir diese Herausforderungen überwinden und die Solidarität zwischen den Kommunen Europas stärken.
Das nächste Jahrestreffen des Paktes wird 2024, auf Einladung von Matúš Vallo, in der Donaustadt Bratislava stattfinden, womit sich der Kreis der vier Gründungsmitglieder und Auftaktgastgeber schließt.