„Geschichte im Landkreis Neu-Ulm“

14. December 2012

Die Aufsätze in der Zusammenfassung:

„Tod vor Ulm“ ist die spannende und ergreifende Schilderung des Flugzeugabsturzes von Pfaffenhofen am 22. Februar 1945 überschrieben. Geradezu minutiös recherchierte Autor Ulrich Seitz die damaligen Ereignisse sowie deren Vor- und Nachgeschichte mit Unterstützung seiner Co-Rechercheure Friedrich Braun, Ralf Kull und J. Kurt Spence aus den USA. Zehn US-Soldaten saßen in dem viermotoriger Bomber vom Typ B17, als dieser beim Anflug auf Ulm am 22. Februar 1945 nahe Pfaffenhofen abstürzte. Sieben Insassen kamen zu Tode, nur drei überlebten. Schaulustige aus dem Dorf eilten an den Absturzort; einige stahlen den Toten sogar Habseligkeiten wie eine Uhr oder einen Ring. Der Ring bildet die Erzählklammer dieses Jahrbuch-Artikels. Er gelangte im Sommer 2011 in den Besitz von Autor Ulrich Seitz, als der Enkel des damaligen Diebs, um sein Gewissen zu erleichtern, ihm „das ungeliebte Erbstück“ aushändigte. Der Ring ließ Seitz nicht ruhen. Er begab sich auf die Suche nach dem rechtmäßigen Eigentümer des Schmuckstücks und wurde in den USA fündig: Der Ring gehörte dem Funker George L. Benedict. Sein Neffe Jeff Miller kam in diesem Sommer nach Pfaffenhofen und nahm den Ring seines Onkels entgegen. Seitz schreibt über den bewegenden Moment der Ringübergabe: „… zurück in die Hand der Familie des Toten – nach 67 Jahren – zu erst unvorstellbar, jetzt vollzogen.“

Die Voraussetzungen und die Umstände der ersten freien Nachkriegswahl am 27. Januar 1946 in Illertissen beleuchtet Tobias Ranker. Nur drei Parteien – die CSU, die SPD und die Freie Demokratische Wahlgruppe „Die Brücke“ – schafften es, die hohen Hürden zu überwinden, die die amerikanische Militärverwaltung für die Zulassung und politische Betätigung demokratischer Parteien aufstellte. Jeden Bewerber auf den Wahlvorschlägen der Parteien klopften die US-Behörden auf seine Vergangenheit im Dritten Reich und damit seine Tauglichkeit für eine demokratische Wahl ab. Von vorneherein weder aktiv noch passiv wahlberechtigt waren Frauen und Männer, die vor dem 1. Mai 1937 in die NSDAP eingetreten oder in einer ihrer Gliederungen aktiv waren. In Illertissen traf dies auf 389 Personen zu. Die Wahlbeteiligung lag bei unerwartet hohen 84,68 Prozent. Insgesamt gaben 1481 Einwohner ihr Votum ab: Die CSU erhielt 51,3 Prozent der Stimmen, „Die Brücke“ 29 Prozent und die SPD 19,6 Prozent. Dies ergab folgende Mandatsverteilung im ersten Nachkriegsgemeinderat: CSU 6 Sitze, „Die Brücke“ 3 und SPD 2. Trotzdem wählte der Gemeinderat aus seiner Mitte nicht CSU-Spitzenkandidat Albert Vollmann zum Bürgermeister, sondern Max Weinhart von der Wahlgruppe „Die Brücke“. Er erhielt 9 von 11 Stimmen.

In den Ruinen der einstigen Reichsabtei Elchingen ist ein kostbarer Kirchenschatz erhalten geblieben. Pfarrer Ralf Gührer erkannte die kultur- und kunsthistorische Bedeutung der Objekte, die er in der Sakristei der Klosterkirche und in der ehemaligen Bibliothek, dem letzten noch erhaltenen Raum der Abtei, vorfand. Seit drei Jahren ist das Bistum Augsburg dabei, den Kirchenschatz zu inventarisieren. Der Landesstelle für nichtstaatliche Museen in Bayern ist es ein Anliegen, dass die zum Teil stark angegriffenen Oberelchinger Kunstwerke, die von überregionaler Bedeutung sind, erhalten werden. Zu diesem Zweck wurde in diesem Jahr der Verein „Freunde des Klostermuseums Elchingen“ gegründet. Der Förderverein hat inzwischen bei der politischen Gemeinde Elchingen und dem Landkreis ein Klostermuseum beantragt, das der Freundeskreis selbst – so schreibt Ralf Gührer – „nach Kräften unterstützen will“.

Markantes Charakteristikum der Weißenhorner Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt ist an der äußeren Kirchturmfassade das überlebensgroße Bildnis des Schutzheiligen Christopherus, der das Jesuskind auf seiner Schulter trägt. Der Leiter des Weißenhorner Heimatmuseums, Wolfgang Ott, spürt der Geschichte dieses Christopherus nach: Das ursprüngliche Christopherus-Fassadengemälde malte der Münchner Maler Thomas Guggenberger von 1850 bis 1852. Nur sieben Jahre später, im Jahr 1859, stürzte das Schiff der Weißenhorner Stadtpfarrkirche ein. 1895 verlangte es die Weißenhorner wieder nach einem Christopherus am Kirchturm. Wieder wurde ein Münchner Kunstmaler mit der Ausführung beauftragt: diesmal Ludwig Glötzle. 1897 konnte das Fresko enthüllt werden, bei dem sich Glötzle auf Wunsch der Stadtoberen entgegen seiner künstlerischen Ambitionen streng an die Vorgaben seines Vorgängers Guggenberger halten musste. Heute, so beklagt Kunsthistoriker Wolfgang Ott, befindet sich der Christopherus „wieder einmal in einem bedauernswerten Zustand“. Es wäre deshalb – so Ott – „erfreulich, wenn sich die Stadt dieses kulturgeschichtlich so bedeutsamen Kleinods annehmen und eine Renovierung dieses stadtbildprägenden Freskos in Betracht ziehen könnte“.

Der Probst des Ulmer Wengenklosters, Johannes IV. Dürr, ist Anton Aubeles Recherchen zufolge wohl der Verfasser des jambischen Spottgedichts auf Ulm, das in einer Elchinger Sammelhandschrift überliefert ist. Der Probst, der in der katholischen Reichsabtei Elchingen im Exil lebte, entlädt seinen Hass auf die protestantischen Ulmer in versierten Versen, die infolge der Besetzung Ulms im Jahre 1702 durch Truppen der katholischen Bayern und Franzosen entstanden.

Anton Aubeles Ehefrau Klara erzählt in ihrem Aufsatz die Geschichte der Steinheimer Bekenntnisbilder. Es handelt sich dabei um die künstlerische Antwort auf das Schutzmantelmadonna-Tafelbild in Holzheim, das im Zuge der Gegenreformation wieder katholisch geworden war. Der Ulmer Stadtmaler Johann Stölzlin malte die sieben Steinheimer Tafelbilder in der Mitte des 17. Jahrhunderts zu Luthers Katechismus. Zwei dieser Gemälde sind verloren gegangen, die übrigen fünf wurden nach der letzten Kirchenrenovierung in den 1990er-Jahren wieder an der Emporenbrüstung angebracht. Klara Aubele beschreibt und deutet diese Bekenntnisbilder, die jeweils mit Merkversen und Stiftertexten versehen sind.

Pfarrer Thomas Pfundner stieß im Oberroggenburger Wald auf ein – wie er schreibt – „besonders gut erhaltenes und schön gestaltetes Exemplar“ eines Grenzsteins mit der eingravierten Jahreszahl 1658. Der Grenzstein ist im Volksmund als „Hiasl-Stein“ geläufig. Der Wilderer Mathias Klostermayr, der von 1736 bis 1771 lebte, soll den Stein als Treffpunkt mit seinen Spießgesellen ausgewählt haben, weil er sich dort schnell des Zugriffs von Jägern oder Gendarmen entziehen konnte, indem er flugs über den Grenzgraben sprang und so das Herrschaftsgebiet wechselte.

In seinem zweiten Beitrag zum diesjährigen Jahrbuch legt Thomas Pfundner die Ergebnisse seiner Recherchen über einen Spieß dar, der vor einigen Monaten im Holzschwanger Pfarrhaus ans Licht gekommen ist. Wie Pfarrer Pfundner herausgefunden hat, waren damit einst die Kirchenwächter bewaffnet, die während des Gottesdienstes mit der Aufsicht über die Kirche und das Dorf betraut waren. Damit sollte verhindert werden, dass während des Gottesdienstes Plünderer in den unbewachten Häusern ihr Unwesen trieben. Außerdem hatte die Kirchenwache während der Heiligen Messe, wenn es nötig war, für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Kreisarchäologe Richard Ambs steuerte gleich drei Aufsätze zum aktuellen Jahrbuch bei. In seiner ersten Abhandlung beschreibt und ordnet er zwei bronzene Fundstücke ein, die auf Äckern im Westen des Neu-Ulmer Stadtteils Schwaighofen aufgelesen wurden. Es handelt sich dabei um einen kleinen, sehr gut erhaltenen viernietigen Griffplattendolch aus der mittleren Bronzezeit, der wohl eigens für ein Kind angefertigt wurde, und um eine längliche, aus kräftigem Bronzedraht gebogene Schleife, der Nutzung und zeitliche Einordnung unbekannt ist.    

In seinem zweiten Beitrag zum diesjährigen Jahrbuch widmet sich Richard Ambs einem Siedlungsfund des späten Mittelalters aus Kadeltshofen. Der Kreisarchäologe ordnet die Scherben sechs verschiedenen Gefäßen zu, die wohl Hinterlassenschaften eines Hausbrandes sind. Ein Topf und eine Milchschüssel konnten fast vollständig wieder zusammengesetzt werden. Weil bei den Ausgrabungen auch Fragmente eines Kachelofens und gläserner Fensterscheiben entdeckt wurden, schließt Richard Ambs darauf, „dass der spätmittelalterliche Hofbesitzer mit Sicherheit nicht zu den Armen im Dorfe gehörte“.

Mit überraschenden Funden unter dem Kellerboden des Pfuhler Heimatmuseums setzt sich Richard Ambs in seinem dritten Jahrbuch-Aufsatz auseinander. Zwei unglasierte Tontöpfchen, eines ganz, das andere zerbrochen, interpretiert er als Nachgeburtsgefäße, also Behältnisse, in denen Plazenten entsorgt wurden. Eine nicht minder spannende Entdeckung tat sich an der kalkgetünchten Wand des Museumskellers auf. Der einstige Gemeindediener schrieb darauf nacheinander alle Tage und zum Teil auch Uhrzeiten von alliierten Luftbombardements auf Pfuhl im Zweiten Weltkrieg sowie besondere dadurch erlittene Schäden auf. Dieses laut Richard Ambs „einmalige Geschichtsdokument“ sicherte nun ein Restaurator, unter anderem dadurch, dass er eine Plexiglasscheibe vor der beschriebenen Wandfläche anbrachte.

Kreisarchivpfleger Peter Wischenbarth entdeckte in Altenstadt Schuttablagerungen eines Kachelofens. Die vielen und überaus variantenreichen Fundstücke animierten ihn, sich an einer Rekonstruktion des historischen Kachelofens zu versuchen. Wischenbarths Einschätzung zufolge fällt der Bau des Kachelofens in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts, abgebrochen wurde er möglicherweise in der Mitte des 15. Jahrhunderts. Der Ofen gehörte wohl einem wohlhabenden Landwirt.

Das neue Jahrbuch „Geschichte im Landkreis Neu-Ulm“ ist an der Kasse im Landratsamt Neu-Ulm, in den Museen im Landkreis und im Buchhandel zum unveränderten Stückpreis von 10 Euro erhältlich. Die Auflage liegt wie die Jahre zuvor bei 1.300 Exemplaren. Der Landkreis hat auch dieses Mal wieder die finanziellen Mittel für den Druck des Jahrbuches zur Verfügung gestellt.

„Geschichte im Landkreis Neu-Ulm“

Alle Jahre wieder in der Adventszeit erscheint das Jahrbuch „Geschichte im Landkreis Neu-Ulm“. Der aktuelle 18. Band mit seinen zwölf Aufsätzen von neun Autoren ist ein abwechslungsreiches Kaleidoskop von authentischen Geschichten aus dem Geschichtsgemälde im Kreis Neu-Ulm. Auf 136 Seiten reicht die Bandbreite der Themen von der Archäologie über Kunst-, Kultur- und Kirchengeschichte bis zur Kriegs- und Nachkriegsgeschichte.

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Sie stellten das Jahrbuch 2012 „Geschichte im Landkreis Neu-Ulm“ vor (von links): Ralf Gührer, Richard Ambs, Wolfgang Ott, Ulrich Seitz, Klara Aubele, Landrat Erich Josef Geßner, Ulrich Weyer (Fotograf für Klara Aubele), Ralf Kull (Co-Rechercheur von Ulrich Seitz), Anton Aubele, Peter Wischenbarth, Thomas Pfundner, Horst Gaiser (Redaktionsmitglied), Tobias Ranker. Foto: Jürgen Bigelmayr
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