Auslöser der lebensbedrohlichen Situation sind ACE-Hemmer (z. B. „Ramipril“), die weltweit zu den am häufigsten verschriebenen Medikamenten zur Behandlung von Herzschwäche und Bluthochdruck gehören. Rund sieben Millionen Bundesbürger nehmen regelmäßig Arzneistoffe aus dieser Gruppe ein. „Als seltene Nebenwirkung können akute Schwellungen im Kopf-Hals-Bereich – sogenannte Angioödeme – auftreten“, erläutert Prof. Dr. Thomas Hoffmann, Ärztlicher Direktor der HNO-Klinik auf dem Ulmer Michelsberg. Auch wenn die Erkrankungsrate „nur“ bei etwa 0,5% liege, seien aufgrund der vielen einnehmenden Patienten jährlich mehrere zehntausend Bundesbürger betroffen. „Bei verlegender Schwellung des Rachens oder des Kehlkopfs besteht ein lebensbedrohlicher Notfall mit drohendem Erstickungstod. Wir nehmen wöchentlich Patientinnen und Patienten notfallmäßig mit diesem Krankheitsbild in unserer Klinik auf“, so Professor Hoffmann.
Standardtherapie ohne entscheidende Wirkung
Bislang bestand die Standardtherapie in der Gabe von Kortison und antiallergischen Medikamenten. Da es sich aber nicht um eine allergische Reaktion handelt, war die Therapie wirkungslos und Patienten gerieten in lebensbedrohliche Situationen. „Die Entwicklung einer effektiven Therapieform war dringend notwendig“, unterstreicht Arbeitsgruppenleiter Dr. Jens Greve, Oberarzt in der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie.
Die beiden Ulmer Mediziner konnten dabei auf ein Medikament zurückgreifen, an dessen Entwicklung sie in der Vergangenheit mitgewirkt hatten. „Dabei handelt es sich um einen sogenannten „Bradykinin-Antagonisten“, sagt Dr. Greve und ergänzt: „Dieser Wirkstoff greift effektiv in die Signalkaskade von Patienten ein, die erblich bedingt unter wiederkehrenden Angioödemattacken leiden.“
Aktuelle Forschungsergebnisse belegen das: Unter der Annahme eines identisch zugrundeliegenden Mechanismus wurde der neue Bradykinin-Antagonist in einer Arzneimittelstudie bei Patienten mit einem durch ACE-Hemmer hervorgerufenen Angioödemen erfolgreich getestet. Die Ergebnisse und Erkenntnisse waren unter dem Strich so überzeugend, dass sie aktuell in der renommierten Zeitschrift New England Journal of Medicine veröffentlicht wurden. „Endlich ist uns der Effektivitätsnachweis bei der Behandlung dieser potentiell lebensbedrohlichen Nebenwirkung gelungen“, bilanziert Professor Hoffmann, der als Senior-Autor der Publikation fungierte. „Der nächste Schritt besteht in der offiziellen Zulassung des Präparats, um zukünftig möglichst allen betroffenen Patienten helfen zu können“, sind sich beide Mediziner abschließend einig.