Computergestützte Expertensuche für Seltene Erkrankungen

21. July 2015

Weltweit wurden bislang rund 7000 Seltene Erkrankungen identifiziert. Allein in Deutschland sind knapp vier Millionen Menschen davon betroffen. Diese Zahlen lassen darauf schließen, dass diese Erkrankungen gar keine Seltenheiten darstellen. In ihrer Gesamtheit sind sie sogar so zahlreich, dass sie ein Viertel aller weltweit vorkommenden Krankheiten ausmachen. Da sie einzeln jedoch so wenig verbreitet sind, ist der Forschungsstand oft schlecht. Für die Mehrheit der Erkrankungen existieren bislang kaum geeignete Informationen zu Experten, Diagnose- oder Behandlungsmöglichkeiten sowie Angebote von nicht-medizinischen Leistungen und Selbsthilfe-Initiativen.

Andreas Pflugrad, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informatik der Hochschule Ulm, hat sich dieses Problems in seiner Dissertation angenommen. In Kooperation mit dem Zentrum für Seltene Erkrankungen des Universitätsklinikums Ulm arbeitet er an einer computergestützten Expertensuche für Seltene Erkrankungen auf der Grundlage bibliometrischer, also rein quantitativer Daten und ihrer Gesetzmäßigkeiten. Für diese Forschungsarbeit wurde der Doktorand nun mit dem Preis der Friedrich-Wingert-Stiftung ausgezeichnet. Zweck der Stiftung ist die Förderung von wissenschaftlichen Forschungsprojekten auf dem Gebiet der Informatik, Linguistik und der Medizin.

„Die Experten zu Seltenen Erkrankungen sind meist genauso selten wie die Krankheiten selbst, was für Patienten oftmals langwierige Arzt-Odysseen mit sich bringt“, erläutert Pflugrad. Ein Informationsdefizit zu integrativen Behandlungsansätzen besteht somit nicht nur auf Seiten der Betroffenen, sondern auch bei behandelnden Ärzten und Therapeuten. „Die computergestützte Suche soll es Ärzten und Patienten ermöglichen, Experten über eine selbstständige Internetrecherche zu finden“, beschreibt Pflugrad das Ziel seiner Forschungsarbeit. Durch das Suchportal können somit Experten, die sich mit dem speziellen und seltenen Krankheitsbild des Patienten auskennen, rascher gefunden werden.

Der Doktorand verfolgt den Ansatz, die Expertenprofile auf der Grundlage von automatischen Literaturanalysen zu generieren. Mithilfe einer Online-Datenbankanalyse werden Literaturdaten zu den Erkrankungen aus den Datenbanken abgerufen. Anhand der mit jeder Veröffentlichung verbundenen Metadaten können so Profile der Autoren gebildet und diese wiederum beispielsweise in Grundlagenforscher oder diagnostisch sowie therapeutisch tätige Experten typisiert werden. Auf diese Weise entstehen Expertenprofile für seltene Erkrankungen, die Hilfesuchenden online zugänglich sind.

Der Vorteil der von Pflugrad konzipierten Expertensuche gegenüber dem bisher existierenden System besteht vor allem in der selbstständigen Aktualisierung, die ein Update modifizierter Daten ermöglicht. Da bislang in dieser Form noch kein Suchportal für seltene Erkrankungen vorhanden ist, hätte es durch den integrativen Versorgungsansatz ein Alleinstellungsmerkmal. Das Interesse an der Expertensuche ist laut Pflugrad bereits jetzt schon sehr groß: „Obwohl wir uns noch in der Testphase befinden, bekommen wir schon jetzt Anfragen von Ärzten.“ Ein prototypisches Webportal soll spätestens in einem Jahr aufgebaut sein.

Ausgezeichnete Forschungsarbeit: Andreas Pflugrad ermöglicht es Patienten und Ärzten, Experten für Seltene Krankheiten über eine selbstständige Internetrecherche zu finden. Foto: Hochschule Ulm
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