Am Dienstag und Mittwoch, 8./9. Mai 2018, war viel politische Prominenz in der geschichtsträchtigen Kleinstadt im Landkreis Neu-Ulm zu Gast. Vielleicht nie mehr seit dem Besuch von Kaiser Maximilian I. aus Anlass der Verpfändung Weißenhorns an die Fugger im Jahr 1507 gaben so viele Spitzenrepräsentanten von Staat und Gesellschaft sich in der Fuggerstadt ein Stelldichein. Bürgermeister Dr. Wolfgang Fendt ging darauf in seiner Begrüßungsrede ein.
Der neue Bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder sicherte den versammelten Landräten seine Unterstützung zu: „Der Freistaat Bayern steht hinter seinen Landkreisen.“ Er versprach, den Landratsämtern mehr Personal sowie Entscheidungs- und Handlungsspielräume zu geben. Insbesondere bei der Digitalisierung, dem Ausbau des Mobilfunks und des Öffentlichen Personennahverkehrs, dem Bau bezahlbarer Wohnungen sowie der medizinischen Versorgung könnten die Landräte und die Menschen im ländlichen Raum auf die neue Staatsregierung zählen, so Söder.
Auch Joachim Herrmann, der Staatsminister des Innern und für Integration, gab sich als Ehrengast des Festabends generös: „Ein starkes Bayern braucht starke Landkreise.“ Alle Wünsche könnten zwar nicht erfüllt werden, „aber wir werden das Möglichste tun“. Insgesamt lebten die Deutschen und besonders die Bayern in einem „unglaublich großartigen Land“. Es gehe uns heute im Durchschnitt „so gut wie noch nie“.
Landtagspräsidentin Barbara Stamm forderte dazu auf, bei allen Problemen und Herausforderungen, die es sicher gebe, auch die „Positivliste“ dessen aufzumachen, „was die Menschen in unserem Land leisten“. Intakte Familien und hervorragende Verwaltungen seien die Garanten, „dass es positiv weitergeht in unserer Gesellschaft“, sagte die ehemalige bayerische Sozial- und Familienministerin.
Für den ehemaligen Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Günther Oettinger, der seit einigen Jahren Kommissar bei der Europäischen Union (EU) ist, gehört dazu die Fortsetzung und Vertiefung des europäischen Vereinigungsprozesses. In einem flammenden Plädoyer schrieb er den Europäern ins Stammbuch: „Wir müssen raus aus unserer kleingeistigen Wagenburg; Weitblick ist gefragt!“ Um im Wettbewerb mit den USA von Präsident Trump, China und Russland zu bestehen, müsse die EU nicht nur weiter fleißig Waren und Dienstleistungen in alle Welt exportieren, sondern vor allem auch seine Markenzeichen „Frieden, Wertgemeinschaft und Stabilität“.
Diese Einsicht trifft indes auf eine Realität, in der die nationalistischen und machtpolitischen Egoismen zunehmen. Dies zeigt sich in Deutschland und anderswo deutlich am Wahlverhalten. Wie der renommierte Politikwissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Falter darlegte, seien „ungeheuerliche tektonische Verschiebungen“ in der Parteienlandschaft im Gange. Die langfristigen Trends der Säkularisierung, der Individualisierung, der Europäisierung und der Globalisierung erzeugten zusammen mit den Gegenreaktionen ein „unumkehrbar scheinendes Abschmelzen der traditionellen Wählermilieus“, einen Rückgang der Wahlbeteiligungen und eine immer weitreichendere Auflösung der festen Parteibindungen.
Damit haben sich im Besonderen auch die im Bayerischen Landtag vertretenen Parteien auseinanderzusetzen. Bei der Landkreisversammlung in Weißenhorn führten die Fraktionsvorsitzenden von CSU (Thomas Kreuzer), Bündnis 90/Die Grünen (Ludwig Hartmann), Freie Wähler (Hubert Aiwanger) und SPD (Dr. Paul Wengert anstelle von Markus Rinderspacher) unter Moderation von Stephanie Stauss vom Bayerischen Rundfunk eine Podiumsdiskussion. Hauptsächlich ging es dabei um die Themen Bürokratieabbau, Fachkräftemangel in den Landratsämtern und Flächenverbrauch.
Das derzeitige Top-Thema im Landkreis Neu-Ulm kam bei der Landkreisversammlung ebenfalls zur Sprache: Christian Bernreiter, der Präsident des Bayerischen Landkreistages, sieht die Bestrebungen der Stadt Neu-Ulm, kreisfrei zu werden, mit „Argusaugen“. Er befürchtet, dass durch den Nuxit ein bayerischer Präzedenzfall geschaffen werden könnte. Wenn Staatsregierung und Landtag die Loslösung der Stadt vom Landkreis Neu-Ulm erlaubten, dann könnten sich andere bayerische Städte mit einer Einwohnerzahl um die 50.000 ermuntert fühlen, ihren Landkreisen ebenso den Rücken zu kehren.
Landrat Thorsten Freudenberger spricht sich – vor allem wegen des immensen finanziellen, sachlichen und personellen Verwaltungsaufwands – dagegen aus, die „Gebietsreform von 1972 aufzuschnüren“. Vielmehr will er „die 47-jährige gemeinsame Erfolgsgeschichte von Stadt und Landkreis Neu-Ulm sehr gerne fortschreiben“.
Zweifellos ein Erfolg war auch die Ausrichtung der Bayerischen Landkreisversammlung, an der gut 300 Personen teilnahmen. Die Gastgeber erhielten viel Lob und Anerkennung. Neben dem politischen Teil kam auch das Showprogramm beim Festabend sehr gut an. Es traten auf: die Hip-Hop-Gruppe „Qunstwerk“ aus Ulm und Neu-Ulm, der schwäbische Kabarettist Werner Koczwara, die Stadtkapelle Weißenhorn und die Band „Parkbank“ aus Pfaffenhofen an der Roth. Abschließend von der Presse um ein Fazit gebeten, sagte Landrat Freudenberger: „Es war uns eine Ehre und Freude.“
Impressionen zur Landkreisversammlung
Landkreisversammlung war „Ehre und Freude“
„Der Landkreis Neu-Ulm hat sich von seiner Schokoladenseite präsentiert.“ Christian Bernreiter, Präsident des Bayerischen Landkreistages, war längst nicht der Einzige unter den 70 anwesenden der insgesamt 71 bayerischen Landräte, der seinem Neu-Ulmer Kollegen Thorsten Freudenberger zur gelungenen Ausrichtung der Bayerischen Landkreisversammlung in Weißenhorn gratulierte. „Alle Rückmeldungen waren positiv“, sagte der gastgebende Kreischef bei der abschließenden Pressekonferenz in der Weißenhorner Fuggerhalle.